21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
überzeugt davon, daß er die Stelle nicht herausfinden wird. Es gehören andere Augen dazu als die seinigen.“
Es zeigte sich bald, daß ich recht hatte. Als wir oben angekommen waren und ich dem General sagte, daß er ganz in der Nähe der jetzt allerdings verschlossenen Öffnung stehe, suchte er längere Zeit, doch ohne die Stelle zu finden. Er wurde schließlich ungeduldig und sagte:
„Der Mensch, welcher die Ziegel hier zusammengepaßt hat, ist im höchsten Grad sorgfältig verfahren. Ich entdecke nichts; du mußt mir den Ort zeigen.“
Er nannte mich jetzt du, weil er Halefs wegen arabisch sprach. Zur Entfernung des ersten Ziegels brauchte ich, um in die Ritzen fahren zu können, die Messerklinge; die andern konnte ich dann mit der Hand nehmen. Ich legte sie so nebeneinander, daß sie beim Zustellen des Lochs nicht verwechselt werden konnten. Osman Pascha sah mit einem Interesse zu, welches sich verdoppelte, als ich fertig war und er, in den Gang blickend, die in demselben liegenden Gegenstände bemerkte.
Wir hatten natürlich Lichter mit heraufgenommen. Da diese dem General nicht genügten, trugen wir dann sämtliche in der Nische befindlichen Lampen hinunter in die Räume, wo wir sie anbrannten. Was machte der Offizier für Augen, als er diese Gemächer betrat und alles, was da lag, mit einem zunächst nur oberflächlichen Blick überflog! Er kam aus dem Staunen gar nicht heraus. Und dann erst, als wir die Sachen einzeln vornahmen!
„Du hast recht gehabt!“ gestand er. „Hier liegt ein ganzes Vermögen aufgestapelt. Wer hätte das gedacht!“
„Einer hat es gewußt“, bemerkte ich.
„Wer?“
„Mein alter Bimbaschi in Bagdad, von dem ich dir erzählt habe.“
„Ja, richtig! Diesen Mann müssen wir sehr streng bestrafen.“
„Bestrafen? Warum?“
„Weil er über diese Niederlage keine Anzeige erstattet hat.“
„Er konnte nicht, weil er mit einem Eid gelobt hatte, zu schweigen. Er verdient vielmehr anstatt der Strafe eine möglichst hohe Belohnung, denn nur ihm haben wir die Entdeckung dieses Ortes zu verdanken. Das geringste, aber auch allergeringste, was wir für ihn tun können und auch tun müssen, ist die Rückerstattung der Summe, die ihm der Säfir abgepreßt hat.“
„Wie hoch ist sie?“
„Das weiß ich nicht; er hat es mir nicht gesagt, und ich hielt es für taktlos, ihn zu fragen.“
„Also wirklich eine Belohnung anstatt der Strafe?“
„Ja. Ich werde, freilich ohne ihn um die Erlaubnis dazu bitten zu können, dir von seiner hochinteressanten, aber unglücklichen Vergangenheit erzählen; dann wirst du mein Interesse und meine Fürbitte für ihn begreifen. Er war auch Christ und ist Offizier des Padischah geworden, weil – – –“
„Gut, gut für jetzt“, unterbrach er mich, weil er die von mir beabsichtigte Parallele heraushörte. „Du wirst mir nachher von ihm ausführlich berichten; für jetzt genügt es mir vollständig, daß du dich für ihn verwendest. Du schiebst ihm das Verdienst der Entdeckung dieses Ortes zu, bist aber selbst der Mann, dem wir sie zu verdanken haben. Ich werde also deine Freundschaft und deine Bemühungen für ihn so berücksichtigen, wie du es wünschst und ja auch verdienst. Zur Zurückerstattung seines Verlustes brauchen wir aber Geld. Sagtest du nicht, daß auch welches vorhanden sei?“
„Ja, dort in der Truhe. Bitte, komm!“
Ich hatte den Schlüssel und öffnete sie. Das war der Augenblick, an welchem sein Staunen den Höhepunkt erreichte. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er den Inhalt des alten Kastens mit Ruhe betrachten und untersuchen konnte. Er zählte zunächst das Geld. Es war eine sehr, sehr hohe Summe. Dann machte er sich über die Schmucksachen und Steine.
„Ich kann mich wirklich nicht genug wundern!“ rief er aus. „Dieser Säfir muß vollständig überzeugt gewesen sein, daß eine Entdeckung dieses Ortes ganz unmöglich sei. Ich habe wirklich keine Ahnung davon gehabt, daß der Schmuggel in diesem Umfang betrieben wird und ein so erstaunlich einträgliches Geschäft ist. Ich möchte wissen, ob der Kerl hier sein ganzes Vermögen angelegt hat oder ob es wohl noch mehr solche Niederlagen gibt!“
„Vielleicht ist von den gefangenen Paschern etwas darüber zu erfahren. Ich glaube nicht, daß der Säfir der einzige Unternehmer, der Chef dieses Geschäftes ist. Der Bote, den er gestern oder vielmehr heut nacht zum Sandschaki sandte, ist sehr wahrscheinlich auch beteiligt. Vielleicht ist eine ganze
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