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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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riesengroß, gewaltig und unwiderstehlich wächst in dir die Überzeugung auf, daß alles, was als verborgene Sehnsucht in deinem Innern wohnte, nun durch ihn in Erfüllung gehen wird. Effendi, begreifst du, was ich sage?“
    „Ja.“
    „So war es mir, als ich dich sah und mit dir sprach. Dieser Weiße bist du. Ich habe nachgedacht und mich gefragt, woher der Eindruck kommt, den du auf mich gemacht hast. Ich kenne weder deinen Glauben noch dein Volk, noch dein Vaterland. Vielleicht bist du nicht so wie andere Christen, von denen ich gehört habe, bist anderer Natur als andere Menschen überhaupt, aber ich sage mir doch, daß dein Auge, deine Stimme und Rede, dein freies und furchtloses Tun und Auftreten nur von der Religion beseelt und geleitet werden, welche dir nicht bloß im Herzen wohnt, sondern auch wie das Licht eines Fanus (Leuchte, Laterne) aus dir heraus nach außen strahlt. Habe ich da unrecht oder recht?“
    „Du hast darin recht, daß der Islam seine Anhänger knechtet und verdüstert, während das Christentum die Religion der Freiheit und der Liebe ist. Jeder gläubige Christ handelt so, wie ich hier und gegen dich gehandelt habe. So, wie du mich beschreibst, sind alle wahren Christen; ich habe vor keinem etwas voraus. Und indem du dich und dein Inneres geschildert hast, hast du mit packender Treue den denkenden Moslem überhaupt gezeichnet. Hier Licht, dort Dunkel; hier Liebe, dort Bedrückung; hier Recht, dort Unrecht; hier Freiheit und dort Knechtschaft! Wenn dir wirklich ein Frühling aufgegangen ist, so wünsche ich von ganzem Herzen, daß er in dir weiter wirken möge!“
    „O, Sihdi, hättest du doch Zeit, mich deinen Glauben kennen zu lehren!“
    „Die habe ich leider nicht; aber sobald ich nach Bagdad komme, werde ich dir einen Teil unserer Heiligen Schrift, das Kitab el Ahd edsch Schedid (Das Neue Testament), schicken. Sein Inhalt wird deinen Füßen eine Leuchte und dir ein Licht auf deinen Wegen sein.“
    „Ich danke dir! Wie lange wirst du hier in Hilleh bleiben?“
    „Vielleicht reiten wir schon heut, vielleicht erst morgen fort.“
    „Wenn ihr bis morgen bleibt, so bitte ich dich herzlich, heute abend mein Gast zu sein. Ich bin zwar arm und kann dir gar nichts bieten, desto mehr aber kann ich von dir erhalten. Ich möchte mit dir über deinen Glauben, über die Religion der Liebe und des Lichts, sprechen. Willst du mir diese große, große Gunst erweisen?“
    „Ja, gern. Ich werde, selbst wenn wir schon heut fort könnten, nun doch bis morgen bleiben, um dir diesen Wunsch, über den ich mich herzlich freue, zu erfüllen.“
    „Du machst mich glücklich, Effendi. Das ist eine Wohltat, welche Allah dir vergelten möge! Erlaube, daß ich dir die Hand dafür küsse!“
    Er ergriff sie und zog sie so schnell an seine Lippen, daß ich es nicht verhindern konnte; dann wandte er sich seinen Leuten wieder zu, denen Halef soeben seine Anweisungen in Beziehung auf die beschlossene Bastonade erteilte. Ich mochte nichts damit zu tun haben und ritt also fort.
    Wie freute ich mich über Amuhd Mahuli! Der Heiland sagte nach dem großen Fischzug zu Petrus: „Von nun an wirst du Menschen fangen!“ Welch ein hohes und schweres Amt wurde diesem Jünger da verliehen, und wie leicht ist es doch unter Umständen für jeden wahren Christen, auch seinerseits als Jünger des himmlischen Meisters dieses herrlichen Amtes zu walten! Das Netz der Liebe auszubreiten ist ja Bedürfnis, nicht bloß Pflicht. Man braucht nur der Stimme des Herzens zu folgen; den Segen sendet Gott.
    Diese Gedanken waren es, welche mich auf dem jetzigen Weg begleiteten. Als ich vielleicht eine Stunde geritten war, kam mir ein Reitertrupp entgegen. Es war der Pascha in Begleitung einiger Offiziere und des Boten, den wir ihm geschickt hatten. Als er mich erreichte, gab er mir die Hand, nickte mir lächelnd zu und sagte in deutscher Sprache:
    „Sie haben Erfolg gehabt, wie ich höre. Ich bin natürlich sofort in den Sattel gestiegen, um Ihren Wunsch zu erfüllen.“
    „Mehr Erfolg, als Exzellenz wohl ahnen“, antwortete ich. „Nur darum durfte ich mir erlauben, um Ihre Gegenwart zu bitten.“
    „Ich komme gern. Die Verhältnisse in Hilleh sind so weit vorgeschritten, daß ich mich für einige Stunden entfernen durfte. Ist alles glatt abgelaufen?“
    „Wenn nicht glatt, so doch zu meiner vollsten Zufriedenheit. Wir haben die ganze Gesellschaft gefangengenommen.“
    „Den Perser, den sie Säfir nennen,

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