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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unerbitterlicher, blutiger Rache beantworten würde. Ich bin von Kurden als Feind behandelt, nie aber von ihnen nach armenischem Muster hinterrücks bestohlen oder übervorteilt und betrogen worden. Ganz dieser meiner Ansicht war auch Hadschi Halef Omar, der trotz seiner lustigen Eigenheiten von jeder niedrigen Gesinnung abgestoßen wurde, und zwar bei mancher Gelegenheit sehr wacker auf die Kurden räsoniert, doch nie von ihnen als von gemeinen, ehrlosen Menschen gesprochen hatte. Darum sagte er auch jetzt, als wir vor den Dawuhdijehs und Hamawands gewarnt worden waren, zu mir:
    „Das klingt, als ob wir uns vor ihnen fürchten sollen, Sihdi. Vor Leuten, die uns offen mit den Waffen in der Hand entgegenkommen, brauchen wir beide keine Angst zu haben, und hinterlistige Feigheit gibt's bei ihnen nicht. Ich würde mich sogar auf einen kleinen Zusammenstoß mit ihnen freuen. Du weißt, daß ich einem fröhlichen Kampf nie aus dem Weg gehe.“
    „Und solltest es aber doch!“ antwortete ich.
    „Warum?“
    „Muß ich dich wirklich an den letzten Wunsch deiner Hanneh erinnern, Halef?“
    „Den letzten? Effendi, ich sage dir, daß dies nicht der letzte ist, denn sie wird nach meiner Heimkehr noch sehr viele, viele haben! Und was diesen, den du meinst, betrifft, so ist er nicht gegen mein berühmtes Heldentum gerichtet, sondern nur gegen Unbedachtsamkeiten, vor denen wir uns hüten sollen.“
    „Wir?“
    „Ja, wir! Wer sonst.“
    „Unter diesem Wir habe ich doch wohl dich und mich zu verstehen?“
    „Natürlich!“
    „So muß ich dir sagen, daß Hanneh von einer Unbedachtsamkeit meinerseits nicht gesprochen hat!“
    „Gesprochen? Nein, das tut sie nicht. Dazu ist die Wonne meines Daseins viel zu höflich. Aber gemeint hat sie dich doch, und du bist klug genug, dies einzusehen, ohne daß ich es dir zu sagen brauche.“
    „So will ich dir in aller Demut gestehen, daß ich diese Klugheit leider nicht besitze.“
    „Wirklich nicht? So muß ich wieder einmal sehr tief beklagen, daß ich nur die Länge deines Verstandes anerkennen kann; aber in die Breite, in die so notwendige Breite, welche doch die Hauptsache ist, geht er leider nicht. Ich glaube, du meinst gar vielleicht, daß sich der Wunsch meiner Hanneh, welche die lieblichste unter allen Lieblichkeiten der Erde ist, nur ganz allein auf mich bezogen hat!“
    „Das habe ich allerdings angenommen.“
    „So glaubst du also, daß Hanneh nur bei mir eine Tat der Unbedachtsamkeit für möglich gehalten habe?“
    „Ja.“
    „Sihdi, nimm es mir nicht übel, daß ich nun endlich einmal ganz aufrichtig und ohne dir etwas zu verbergen, mit dir spreche. Ich bin so lange still gewesen, kann es nun aber nicht länger zurückhalten, daß du mich mit dir und dich mit mir verwechselst.“
    „Wieso tue ich das?“
    „Um dir dies klar und deutlich zu machen, muß ich dir einige Fragen vorlegen. Wirst du sie mir so beantworten, wie es die Wahrheit erfordert?“
    „Ja.“
    „Gut! Also: Wenn du jemandem etwas zu sagen hast und er ist bei dir, wirst du es ihm da direkt sagen oder dich eines Dritten als Boten bedienen, der es ihm ausrichten soll?“
    Ich erriet, was er wollte, antwortete aber doch:
    „Wenn er bei mir ist, sage ich es ihm direkt.“
    „Schön! War ich abwesend, als du dich bei uns im Lager der Haddedihn befandest?“
    „Nein.“
    „Ich war da, war bei meiner Hanneh?“
    „Ja.“
    „Konnte sie mit mir sprechen?“
    „Ja.“
    „Kann also das, was sie dir gesagt hat, an mich gerichtet sein?“
    „Du mußt dich anders ausdrücken, lieber Halef. Gerichtet war es an mich, gesagt aber für dich.“
    „Damit widersprichst du dir selbst, denn du hast soeben geäußert, daß man das, was man jemandem direkt sagen kann, nicht durch einen Dritten sagt. Ich war ja da! Wollte Hanneh mich vor Unvorsichtigkeiten warnen, so hätte sie das zu mir selbst getan. Sie hat es aber zu dir gesagt; folglich gilt es dir, nicht mir!“
    „Sie hat aber doch extra deinen Namen genannt und nicht von meiner, sondern von deiner allzu großen Schnellfertigkeit gesprochen.“
    „Das ist zwar wahr, aber siehst du denn nicht ein, warum sie grad so und nicht anders gesprochen hat?“
    „Um dich zu schonen, dich nicht zu betrüben. Sie war zu zart, um es dir selbst zu sagen.“
    „Zu zart! Effendi, das ist das richtige, das einzig richtige Wort; aber deine Auslegung ist nicht richtig, sondern falsch, denn nicht gegen mich, sondern gegen dich ist Hanneh zart gewesen, diese

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