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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nackt rasierte Kopfhaut hatte er lange Streifen geschnitten. Durch jede Zehe und jeden Finger war ein Holzpflock getrieben, und es gab an seinem ganzen Körper keine Stelle, welche nicht eine dieser schmerzhaften Verwundungen aufzuweisen hatte.
    Ich selbst bin ein durch und durch gesunder, überaus kräftiger Mann, dessen Natur – eine wahre Hippopotamusnatur – weder durch Hunger und Durst, Hitze und Kälte, Nachtwachen oder andere Anstrengungen so leicht angegriffen wird, aber einer solchen Mißhandlung meines Körpers würde ich wohl sehr bald erliegen. Zwar habe ich bei indischen Fakirs oft noch größere Verwundungen gesehen und weiß wohl, daß der religiöse Fanatismus über manchen Schmerz hinweghilft und daß ein Anhänger dieser neuen Lehren hier von Suggestion oder Hypnose sprechen würde, muß aber mein Erstaunen darüber ausdrücken, daß dieser Mensch so und überhaupt noch leben konnte. Es kam mir nicht bei, hier irgendeinen Heroismus zu bewundern, sondern ich fühlte mich im Gegenteil und im höchsten Grad angewidert. Gern wäre ich mit abgewendeten Augen an dem blutrünstigen, von einem ganzen Schwarm von Fliegen und Mücken bedeckten Kerl vorübergeritten; aber er erhob sich bei unserem Nahen, streckte uns die Hände entgegen und rief uns an:
    „Dirigha Allah, waj Mohammed! Dirigha Hassan, Hosseïn!“
    Er war entsetzlich anzusehen; aber ich fühlte von Mitleid keine Spur in mir, sondern hätte ihm lieber eine Ohrfeige anstatt eines Almosens gegeben. Welch eine Dummheit, welch ein Unverstand, sich wegen des Todes eines Menschen – denn etwas anderes ist Hussein doch nicht gewesen – so scheußliche Martern zuzufügen! Und dabei hielt sich dieser ekelhafte Kerl für einen Heiligen, dem nach dem Tod der oberste Rang des Paradieses sicher ist und der auch bereits hier auf der Erde neben reichlichen Almosen die demütigste Verehrung aller Menschen zu beanspruchen hat!
    Der Prinz, als reicher Perser und Schiit, warf ihm einen goldenen Tuman zu.
    „Hasgadag Allah – Gott segne dich!“ belohnte ihn der Bettler für diese reiche Gabe.
    Lindsay griff in die Tasche und gab ihm einen Gersch zu zehn Piastern.
    „Subhalan Allah – gnädiger Gott!“ erklang es jetzt schon weit weniger belobend, denn nicht Lindsay, sondern Allah wurde als Geber bezeichnet.
    Ich gab nur einen Piaster. Der ‚Heilige‘ machte erst ein höchst erstauntes, dann aber ein sehr zorniges Gesicht und schrie mich an:
    „Azdar – Geizhals!“ Dann fuhr er mit der Gebärde des Abscheus und immer steigender Schnelligkeit fort: „Azdari, pendsch Azdarani, deh Azdarani, hezar Azdarani, lek Azdarani – du bist ein Geizhals, du bist fünf Geizhälse, du bist zehn Geizhälse, du bist hundert Geizhälse, du bist tausend Geizhälse, du bist hunderttausend Geizhälse!“
    Er trat meinen Piaster unter die Füße, spie drauf und zeigte eine Wut, von welcher man nicht wußte, ob man über sie lachen oder sich vor ihr fürchten solle. Das war meinem kleinen, wackeren Halef denn doch zuviel; er duldete niemals eine Beleidigung, mochte sie nun gegen ihn oder gegen mich gerichtet sein; darum fragte er mich:
    „Sihdi, ich verstehe ihn nicht. Was heißt Azdar?“
    „Geizhals“, antwortete ich ihm.
    „Allah 'l Allah! Und wie heißt ein recht dummer, alberner Mensch auf persisch?“
    „Bisaman.“
    „Und ein recht grober Flegel?“
    „Dschaf.“
    „Ich danke dir, Sihdi!“
    Dann drehte er sich dem Schiiten zu, hielt ihm die flache Hand emporgerichtet entgegen, wischte sie am Beine ab, welche Gebärde als größte Beleidigung gilt, und rief:
    „Bisaman, Bisaman, Dschaf, Dschaf, Dschaf!“
    Was hierauf erfolgte, spottet jeder Beschreibung. Der ‚heilige Märtyrer‘ öffnete die Schleusen seiner Beredsamkeit und zeigte sich im Besitz von Schimpfwörtern und Drastika, welche unmöglich wiederzugeben sind. Wir beugten uns vor seiner Überlegenheit in dieser Beziehung, verzichteten auf die Fortsetzung dieser interessanten Unterhaltung mit ihm und ritten weiter.
    Was wir dann bei und mit der Todeskarawane erlebten, ist bereits erzählt worden und bedarf der Wiederholung nicht; es ging aber an unserem geistigen Auge vorüber, als wir nun jetzt nach Jahren in tiefer, nächtlicher Einsamkeit an demselben Weg saßen, den wir damals geritten waren. Das Gedächtnis brachte uns die damaligen Begebenheiten mit vollster Deutlichkeit und Schärfe zurück, und so kam es, daß wir auch jene entsetzlichen ‚Wohlgerüche des Paradieses‘ in

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