21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Von da an blieb ich oben und gelangte ohne sonderliche Anstrengung an das Ufer, von welchem aus ich die zornigen Stimmen der beiden Euphratpiraten brüllen hörte.
Am Wasser sitzend, machte ich mich nun von den Banden frei. Das geschah, da ich nicht beobachtet wurde, ziemlich leicht. Ich zog an dem Gürtel, bis der hintere Teil desselben, und mit ihm die Hand, nach vorn gekommen war, und knüpfte diese mit der Rechten los. Nun standen mir alle zehn Finger zur Verfügung, auch den um die Fußgelenke geschlungenen Riemen aufzuknoten, was nicht mehr als eine Minute erforderte. Dann befand ich mich im Wiederbesitze aller meiner Glieder und konnte das tun, was das zunächst Notwendige war – die Pferde aufsuchen.
Wir waren wohl nicht ganz drei Viertelstunden unterwegs gewesen und dabei den Krümmungen des Flusses gefolgt. Ich kannte jetzt diese Windungen, denn wenn wir auch nicht über den Rand der Fähre hatten blicken können, so hatte es in dem Flechtwerk doch Lücken gegeben, die uns, erst einmal entdeckt, hinauszusehen erlaubten. Ich brauchte also nicht dem Lauf des Stroms zu folgen, sondern ging erst ein Stück schräg in das Land hinein und wendete mich dann in die Richtung, welche mich geraden Wegs zu den Pferden führen mußte.
Wenn man einen Winnetou zum Lehrmeister im Dauerlauf gehabt hat und so hübsch frisch, naß und erquickt aus dem Wasser gestiegen ist, wie jetzt ich, so fördern die Schritte doppelt. Schon nach einer guten halben Stunde sah ich rechts von mir den Feuerschein und kam dann an die Rinne, in welcher ich die Pferde wußte.
Die lieben Tiere empfingen mich mit frohem Schnauben. Wäre es Tag gewesen, so hätten sie vor Freude gewiehert. Sie lagen noch grad so da, wie ich sie verlassen hatte; ich streichelte sie zum Dank für ihre Folgsamkeit; dann aber mußten sie auf, denn es galt, nach dem Birs Nimrud zu eilen. Am liebsten wäre ich freilich hinüber zum Pädär-i-Baharat geritten, um ihm und seiner Sippe zu zeigen, wie lange man mich hatte festhalten können; aber das wäre eine nicht nur unnütze, sondern für unsere Zwecke sogar schädliche Prahlhanserei gewesen, und so verzichtete ich darauf. Halefs Barkh bekam die Gewehre und andern Gegenstände zu tragen; Ben Rih mußte mit mir fürliebnehmen, und so ging es denn zu Pferd der Gegend wieder zu, aus welcher ich soeben als Schnelläufer zu Fuße gekommen war. Welche Ereignisse mich dort unten am Birs Nimrud erwarteten, darauf war ich neugierig. Es galt, Halef zu befreien. Auf welche Weise das zu geschehen hatte, das kam ganz auf den Ort an, wohin man ihn geschafft hatte, und auf die von mir dort vorzufindenden Verhältnisse. Das aber nahm ich mir für alle Fälle vor, daß es keinem Menschen wieder gelingen sollte, meine Person in seine Gewalt zu bringen. Der Mensch denkt und – – – ist dabei so gedankenlos, daß dann grad das Gegenteil von dem geschieht, was er glaubt, ganz logisch und folgerichtig, gedacht zu haben!
Ich wäre gern Galopp geritten, durfte dies aber nicht wegen der vielen ausgetrockneten Kanäle, Gräben und sonstigen Einsenkungen, welche ich zu passieren hatte; doch kam ich trotzdem so schnell vorwärts, daß ich schon nach drei Viertelstunden den Karawanenweg nach Kerbela kreuzte. Dann kam Tahmasia und später Tell Markeh, worauf ich nach dem Birs Nimrud einbog.
Hier brauchte ich wieder einen Ort, an welchem ich die Pferde verbergen konnte. Das gestrige Versteck, wo wir die Spuren der Stachelschweine gesehen hatten, war zwar vortrefflich gewesen, dann aber allen unsern Begleitern bekannt geworden; darum durfte ich es nicht wieder wählen. Als wir in der Frühe mit den Soldaten nach Hilleh geritten waren, hatte ich, freilich ohne spezielle Absicht, den Teil der Ruinen, an welchem wir vorübergekommen waren, genau in Augenschein genommen, und so erinnerte ich mich jetzt eines Mauereinschnitts, von dem ich glaubte, daß er meinem Zwecke entsprechend sei. Ich ritt also der Gegend zu, in welcher er sich befand, und verfehlte ihn nicht.
Ich stieg ab und untersuchte die Stelle näher; ich hatte mich nicht getäuscht; sie paßte sehr gut für die Absicht, welche ich verfolgte; darum schaffte ich die Pferde hinein, pflockte sie an und befahl ihnen, sich zu legen, was sie sofort taten. Ein Messer hatte ich nicht mehr, weil mir das meinige von dem Pädär abgenommen worden war; ich steckte also einen meiner zwei Revolver zu mir; alles andere ließ ich zurück; dann ging ich, um nach Halef zu suchen.
Nach meiner
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