21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Binsenkorbs besaßen. Sie kümmerten sich nicht um uns und arbeiteten, weil sie Eile hatten, aus Leibeskräften. Da wir gefesselt waren, nahmen sie an, daß eine besondere Beaufsichtigung nicht nötig sei.
Als eine Weile vergangen war, näherte Halef seinen Mund meinem Ohre und fragte:
„Darf ich jetzt sprechen, Sihdi?“
„Ja“, antwortete ich ebenso leise.
„Bist du zornig auf mich?“
„Wie ein Löwe!“
„Das beruhigt mein Herz, denn ich habe noch mit keinem einzigen Löwen gesprochen, der mir gesagt hat, daß er zornig auf mich sei. Ich kann dir nur wiederholen, daß ich keine Schuld an unserm Unglück habe. Es brach so plötzlich über mich herein, wie dieser Sand einbrach, der in seinem Unverstände das Gleichgewicht des Haltes verlor und erst mit meinen Füßen, dann aber mit der ganzen Ausdehnung meines Körpers in die Tiefe flog. Ich sage dir, diese Perser oder was sie sind, waren im ersten Momente nicht weniger bestürzt, als ich es war!“
„Konntest du denn ihre Überraschung nicht benutzen?“
„Wozu?“
„Schnell aufzuspringen und zu fliehen?“
„O Sihdi, was du doch manchmal für sonderbare Gedanken hast! Erstens liegt es in der Bestimmung des Kismet, daß das Fallen immer schneller vor sich geht als das Aufspringen, was du doch wohl auch schon an dir selbst erfahren hast. Zweitens war mein Weg von oben herab bis zu ihnen herunter weiter als der ihrige zu mir, die doch einfach sitzen geblieben waren, und so dauerte meine Überraschung auch länger als die ihrige. Drittens lag ich unter einem ganzen Berg von Sand, sie aber nicht. Viertens besaß ich nur zwei Beine zum Ausreißen, sie aber besaßen zusammen wohl zwanzig Hände zum Zugreifen. Fünftens waren – – –“
„Halt ein, sonst bist du morgen mit deinem Aufzählen noch nicht fertig!“ fiel ich ein. „Ich habe das Unheil vorausgesehen. Es ist richtig eingetroffen, was ich befürchtete. Ich hätte selbst gehen, dich aber nicht schicken sollen. Du bist nicht vorsichtig genug!“
„Sihdi, zanke nicht auf mich, sondern auf dich! Ich habe mich ganz genauso verhalten, wie du es wolltest, du dich aber nicht so, wie ich es wünschte.“
„Wie meinst du das?“
„Du wünschtest, ich solle vorsichtig sein, und das bin ich auch gewesen; daß die Böschung dann so unvorsichtig war, mit mir dorthin zu rutschen, wohin sie gar nicht gehört, das mußt du ihr vorwerfen, aber nicht mir. Dann, als ich gefangen war und mir sagte, daß du mir folgen werdest, wünschte ich von ganzem Herzen, du möchtest dich nicht auch ergreifen lassen. Hast du diesen meinen Wunsch etwa befolgt?“
„Hm, nein!“
„Gut! Du siehst also ein, daß du nicht mit mir, sondern mit dir zu zürnen hast. Also zanke nicht!“
Ich hätte laut auflachen mögen. Der pfiffige Kleine wälzte alles von sich auf mich, und zwar in so diplomatischer Weise, daß es mir fast unmöglich war, ihm unrecht zu geben. Und dann fügte er zur Abwehr eines vielleicht doch von mir beabsichtigten Seitenhiebs hinzu:
„Ich glaubte, du seist wirklich ohnmächtig; du warst es aber nicht?“
„Nein.“
„So hast du gehört, welche Antworten der Pädär von mir bekommen hat?“
„Ja.“
„Sag aufrichtig, habe ich das nicht gut gemacht?“
„Vortrefflich!“
„Ich danke dir! Dieses dein Eingeständnis gibt mir die beglückende Überzeugung, daß die Kürze meiner Einsicht der Länge deines Verstandes doch noch ebenbürtig ist. Wir stehen uns also vollständig gleich und sind in Beziehung auf unsere tiefe, von den Persern besorgte Ergriffenheit vollständig miteinander quitt. Wir können uns darum nun in freundschaftlicher Einigkeit der Hauptsache zuwenden: Denkst du, daß es uns glücken wird, freizukommen?“
„Gewiß.“
„Wann? Wo? Wie?“
„Das ist zuviel auf einmal gefragt. Wir müssen abwarten, was geschehen wird.“
„Man wird uns dem Säfir ausliefern?“
„Ja.“
„Was wird er mit uns tun?“
„Er wird uns, wie du von dem Pädär gehört hast, in dem Zindan des Nimrud unterbringen.“
„Hast du eine Ahnung, was für eine Art von Gefängnis das ist?“
„Ich denke, daß es derselbe unterirdische Raum im Birs Nimrud sein wird, in welchem unser Bagdader Bimbaschi gesteckt hat.“
„Allah! Wie kommst du auf diese Idee?“
„Es sind verschiedene Gründe, die mich auf sie führen. Wir können das jetzt nicht ausführlich erörtern.“
„Meintest du nicht, daß es aus diesem Raum einen Ausweg gebe?“
„Ich bin beinahe überzeugt davon,
Weitere Kostenlose Bücher