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21 - Stille Wasser

21 - Stille Wasser

Titel: 21 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura A. Gilman , Josepha Sherman
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den ebenfalls immer größer werdenden Haufen neben dem Sofa, auf dem sie sich niedergelassen hatte. Um Ariel nicht unnötig neugierigen Blicken auszusetzen, hatten sie vorübergehend ihre Operationsbasis in Giles’ Wohnung verlegt. Nachdem sie alles in Frage kommende Material aus der Bibliothek in Giles’ ohnehin von Büchern überquellende Privatgemächer geschleppt hatten, sah es dort aus wie in einer Buchbinderei, in die eine Bombe eingeschlagen war. Doch weder Giles noch Willow noch das kleine Selkie-Mädchen schienen das Chaos aus Büchern und schweren Wälzern, das um sie herum herrschte, überhaupt wahrzunehmen.
    »Wie kann es sein, dass so viele Bücher so wenig brauchbare Informationen enthalten? Und die ganzen Websites erst«, schnaubte Willow verächtlich. »Jede Menge Märchen und haarsträubende Geschichten, die sich nicht einmal mit dem decken, was in den alten Legenden berichtet wird. Als hätten sich irgendwelche Leute die Geschichten einfach mal eben so ausgedacht.«
    »Möglicherweise stimmt das sogar«, erwiderte Giles. »Wenn dir eine Geschichte ohnehin als unrealistisch und völlig an den Haaren herbeigezogen erscheint, was sollte dich davon abhalten, sie nach Belieben umzuschreiben und dir deine eigene Version zu stricken? Ein altes Übel, mit dem ernsthaft ambitionierte Volkskundler oder, wie in diesem Fall, Okkultologen seit jeher zu kämpfen haben.«
    Ariel, die immer noch in Willows ausrangierten Klamotten steckte, lag zusammengerollt am anderen Ende des Sofas und beobachtete die beiden Menschen aus großen Augen. Nach wie vor klammerte sie sich krampfhaft an ihr Seehundfell, doch ihre Blicke wirkten längst nicht mehr so furchtsam, ihre Körperhaltung bei weitem nicht mehr so angespannt wie noch wenige Stunden zuvor. Sie in Giles’ Auto zu verfrachten war nicht ganz so einfach gewesen – für Xander Grund genug für die Bemerkung, selbst Selkies könnten mit einem Blick erkennen, dass es sich bei der Mühle um eine potentielle Todesfalle handele. Doch hier, in der abgedunkelten, kühlen Wohnung, hatte sie sich allmählich wieder so weit beruhigt, dass selbst das schrille Läuten des Telefons sie nicht mehr allzu sehr aus der Fassung zu bringen vermochte.
    »Ja...«, fuhr Giles fort, nachdem er einen weiteren Text überflogen, für unbrauchbar befunden und beiseite gelegt hatte. »Es waren immer die eher romantischen Geschichten, die die Herzen der Masse eroberten. Und – auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole – Selkies gehörten zu keiner Zeit zu den Wesen, mit denen sich ein Wächter auseinander setzen musste.«
    Er lehnte sich zurück, griff zu seiner Tasse und nahm einen kleinen Schluck Tee. »Sie gelten gemeinhin als eine Spezies, der grundsätzlich eine gewisse Überheblichkeit zu eigen ist, abgesehen natürlich von den wenigen ihres Volkes, die an Land gingen, um den Rest ihres Lebens mit einem Menschen zu teilen. Obwohl«, fügte er hinzu, »sich in den wenigsten dieser Fälle glaubhaftere Quellen finden lassen als alte Familienchroniken. Es ist wirklich zum Auswachsen.«
    Abermals gab Willow ein verächtliches Schnauben von sich, ein ganz und gar nicht damenhaftes Geräusch. »Das kann man wohl sagen! Da haben wir nun einen Riesenhaufen von Büchern und in allen steht immer nur das Gleiche. Und nichts von alldem scheint wirklich zusammenzupassen, weil die eine Hälfte der Informationen der anderen völlig widerspricht und –“
    »Willkommen in der wunderbaren Welt der Quellenforschung. Vielleicht verstehst du nun, warum ich es vorziehe, mit Primärtexten zu arbeiten.« Giles’ Denkerstirn zog sich mit einem Mal in Falten. »Natürlich, warum habe ich nicht gleich...« Er richtete sich kerzengerade in seinem Stuhl auf, trommelte mit einer Hand gegen den aufgetürmten Bücherstapel, schien einen Moment angestrengt nachzudenken, schnippte schließlich mit den Fingern und stürmte wie ein geölter Blitz die Treppe hinauf, über die man in die oberen Räume gelangte.
    »Giles?«, rief Willow ihm völlig perplex hinterher.
    Ariel starrte aufgeschreckt aus weit aufgerissenen Augen abwechselnd Willow und die Treppe an, als wollte sie fragen, wohin der merkwürdige große Mann verschwunden war.
    »Hey, ist ja gut«, beruhigte sie Willow. »Alles in Ordnung.«
    Das Selkie kuschelte sich wieder in seine Wolldecke und gab ein Geräusch von sich, das wie ein leises Gähnen klang – laut der umfassendsten Website über Seehunde, die Willow im weltweiten Netz hatte finden

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