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21 - Stille Wasser

21 - Stille Wasser

Titel: 21 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura A. Gilman , Josepha Sherman
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Giles’ Büchern war es auf minderwertigem Papier gedruckt und mit einem Einband aus Pappe versehen, eine dieser Billigausgaben, wie man sie in jeder mittelmäßigen Buchhandlung fand. Sie streckte die Hand aus und bereitwillig überließ ihr Giles die angeblich so bedeutende Publikation. Okay, sie war in einer Sprache geschrieben, die sie nicht verstand, das sprach grundsätzlich schon mal für das Buch – nur wenige der wirklich interessanten Dinge waren in neuzeitlichem Englisch abgefasst.
    »Steht da sonst noch was drin, das uns irgendwie weiterhelfen könnte?«, fragte sie und gab Giles das Buch wieder zurück.
    »Möglicherweise... Mal sehen, hier... warte... hier steht etwas wie ›Mit den Wellen‹. Mit den Wellen..., hm, go brach...«
    »Go brach«, wiederholte Ariel, als wollte sie ihm soufflieren. »Go deo!« Ihre Stimme war sanft, doch um einiges sonorer als die eines Menschenmädchens vergleichbaren Alters.
    »Immerdar!«, schloss Giles triumphierend. »›Mit den Wellen immerdar‹ – es handelt sich offensichtlich um einen Verwandlungsspruch, vielleicht von dem Nachkommen eines Selkie und eines Menschen, der wieder ins Meer zurückwollte.«
    »Leider wird davon das Seehundfell auch nicht sauber.«
    »Äh, nein.« Giles blätterte hektisch in dem Buch herum. »Ich sollte unbedingt meine Gälischkenntnisse aufbessern.«
    »Meinen Sie, ich kann im Internet mehr darüber finden, wenn ich ein wenig mit der Schreibweise und Aussprache herumexperimentiere?«, fragte Willow mit leuchtenden Augen.
    Giles zuckte mit den Schultern. »Einen Versuch ist es wert. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, warum jemand sich die Mühe machen sollte, solch obskure Informationen ins Netz zu stellen.«
    Willow verzog das Gesicht. „Glauben Sie mir, wenn es sich um etwas total Abgedrehtes handelt oder etwas völlig Sinnloses, im Internet werden Sie es finden.«
    »Was wieder einmal beweist, dass meine Meinung über diesen Tummelplatz für Freaks aller Couleur nicht einer gewissen Berechtigung entbehrt.« Giles’ Skepsis gegenüber dem World Wide Web war bereits Thema zahlreicher und endloser Diskussionen gewesen und beiden war klar, dass sie in dieser Sache wohl niemals einer Meinung sein würden.
    »Hier scheinen ein paar überaus interessante Dinge über die ursprüngliche Heimat der Selkies und ihre Ausbreitung in andere Gebiete zu stehen«, kehrte Giles wieder zum eigentlichen Thema zurück.
    »Rachaidh me arm go!«, platzte Ariel plötzlich heraus und sah sie erwartungsvoll an.
    »›Ich werde wieder zurückgehen‹«, übersetzte Giles nach einem kurzen Moment des Nachdenkens.
    »Sie möchte nach Hause«, sagte Willow gerührt. »Armes Ding.«
    »Ein völlig anderer Fall als die Katastrophen, mit denen wir uns für gewöhnlich herumschlagen müssen«, meinte Giles und nahm wieder an seinem Schreibtisch Platz, um weiter in dem Buch zu studieren. »Und ein höchst willkommener zudem.«

    Die späte Nachmittagssonne warf lange Schatten auf den verlassenen Strand. Katastrophenschutz und Einsatzhelfer waren längst abgerückt und nicht ein einziges Schiff der Küstenwache störte die Stille der sanft wogenden See. Hier und dort bedeckten schaumige schwarze Flecken den Sand und die Felsen, und mit dem Morgengrauen würden sich weitere Helfer einfinden, um einige Wasser- und Bodenproben zu nehmen, doch der größte Teil der Säuberungsarbeiten – die der Menschen wie die von Mutter Natur – war getan, zumindest an diesem Ort. In San Diego kämpften indes Labortechniker, Veterinärmediziner und Freiwillige um das Leben jeder einzelnen der zahllosen Kreaturen, die von überall entlang der Küste zu ihnen gebracht wurden. In wenigen Tagen würden die Tiere, denen man noch hatte helfen können, wieder in ihren angestammten Lebensraum zurückkehren.
    Weit und breit das einzige lebende Wesen, das an diesem unwirtlichen Küstenstrich zu sehen war, war ein Mann, der, die Hände tief in die Taschen seines dunkelbraunen Anoraks vergraben, nur wenige Meter von seinem abgestellten Leihwagen entfernt am Straßenrand stand und aufs Meer hinausblickte.
    Zu spät. Wieder einmal.
    Er stieg über die niedrige Straßenbegrenzung und ging über den Sand zum Wasser hinunter. Dort blieb er stehen und ließ seine Blicke wie suchend über die beinahe reglos scheinende Meeresfläche schweifen. Rötliches Sonnenlicht fiel auf seine grimmigen, harten Züge und zauberte einen seltsam anmutenden Schimmer auf sein bereits angegrautes schwarzes

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