2110 - Der Gute Geist von Wassermal
versucht hatte, beide Griffe gleichzeitig zu betätigen.
„Man muss beide Griffe bewegen", sagte Sershan. „Nur dann lässt sich die Tür öffnen. Sobald sie offen ist, können wir fortfahren, unseren Wettkampf auszutragen."
Und er würde versuchen, mich zu behindern, damit er den Wettkampf gewann. Es war ganz klar, dass sich hinter seinem Vorschlag eiskalte Berechnung verbarg. Er wollte mich betrügen. Aber in einem hatte er Recht: Einer allein würde die Tür niemals öffnen können.
„Einverstanden", sagte ich. Doch ich würde ihm keine Chance geben, mich hinterhältig auszustechen.
Ich ließ die Hand mit dem Revolver sinken, trat zum linken Türgriff, packte ihn und drehte ihn herum. Sershan tat simultan das Gleiche mit dem anderen Türgriff.
Als wir an den Griffen rissen, gaben die beiden Türhälften nach. Dahinter lag ein breiter Korridor mit silbernen Wänden und Bodenplatten, der in eine von strahlendem Nebel erfüllte Halle mündete.
Tagiras Reich!
Der Schuft wollte tatsächlich sofort losstürmen. Aber vorher holte er zu einem Schlag gegen mich aus.
Ich kam ihm zuvor, indem ich die Waffe hochriss und abdrückte. Es gab einen furchtbaren Knall, dann zerbarst das Puppengesicht des ehemaligen Kriegers.
Aber nicht in Blut und Knochentrümmern - sondern in einem psychedelischen Farbennebel.
Sershan Contagi Peiragon verschwand. Und mit ihm verschwand der ungeheuerliche Druck, der bis jetzt meinen Geist beherrscht hatte.
Ich begriff, dass ich etwas Ungeheuerliches getan hatte: Ich war zum Mörder geworden.
11.
Zu leicht befunden Blitz und Donner von einer Million Gewittern. Alles bebte - sogar die Luft, die ich atmete. Jedes einzelne Atom in mir wurde bis in den Nukleus hinein erschüttert.
Meine Wahrnehmung war überfordert und stellte einfach ab. Es gab nichts außer dem absoluten Nichts.
Es gibt dich - und da du ein Teil des Universums bist, gibt es auch das Universum.
Da war er wieder, der Logiksektor meines Extrasinns. Und wie üblich strotzte er vor Logik. Wenn er nur da gewesen wäre, als ich ihn dringend gebraucht hätte!
Das war nicht möglich! Aber du musst wach sein!
Das erinnerte mich wieder daran, dass ich gegen Sershan um die Gunst der Göttin gekämpft hatte - und dass ich den ehemaligen Krieger getötet hatte.
Plötzlich sah und hörte ich wieder.
Unwillkürlich spreizte ich die Beine - wie ein Seemann an Deck seines Schiffes bei rauer See, denn rings um mich waren die schwindelerregend gähnenden Abgründe des Nichts. Direkt über mir schien eine Galaxis mit grell leuchtendem Zentrum herabzustürzen, mitten durch Abertausende von Sternen, die das „Dunkel" des so genannten Leerraums bevölkerten.
Wassermal!
Jemand seufzte. Ich wandte mich in die Richtung, aus der der Laut gekommen war.
Mein Revolver polterte zu Boden, als ich Sershan Contagi Peiragon erblickte.
Der ehemalige Krieger stand links von mir. Seine Prachtuniform war zerfetzt und voller Brandflecken, Hände und Gesicht bluteten aus zahlreichen kleinen Wunden und trugen die blauen Male von Prellungen.
Aber er war lebendig - und ich sah keine Schusswunde an ihm. Sein Kopf, auf den ich geschossen hatte, war unversehrt.
Und wir beide standen auf einer Plattform, die identisch war mit der „Aussichtsplattform" des Turmes, in dem Sershan und ich uns den Entscheidungskampf um den Besitz Tagiras geliefert hatten. Auf den Türmen terranischer Burgen nannte man die Plattform „Wehrplatte". Dort wie hier war sie von einem engen Zinnenkranz umgeben, nur schimmerte dieser hier in strahlendem Silber.
Ein Geräusch bewirkte, dass Sershan und ich erstarrten - und uns dann wie in Zeitlupe nach rechts drehten.
Und von dort kam sie, nein schwebte sie - Tagira, die Göttin, die ich einmal für Iruna von Bass-Teth gehalten hatte. Überirdisch schön von Gestalt und engelhaft gewandet.
Warum stürzt du dich nicht auf sie?, fragte mein Extrasinn sarkastisch. Oder wirfst dich ihr wenigstens vor die Füße? Du hast sie doch so begehrt.
Sei still!, dachte ich erschaudernd zurück. Sie ist eine Göttin. So rein wie Sternenstaub und so mächtig wie eine Herrin des Universums!
Tagira blieb stehen und hob die Hand - und ich wusste plötzlich: Sie hieß zwar Tagira, aber sie war auch der Gute Geist von Wassermal.
Die Herrin der Sterneninsel dort oben über euren engstirnigen Schädeln!, teilte mir der Extrasinn mit unbarmherziger Logik mit.
Ich hatte das Gefühl, als wirbelten die Gedanken in meinem Gehirn wild
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