212 - Beim Stamm der Silberrücken
Percival machte sich klar, dass er vermutlich noch schlimmer stank und nach den Wochen in der Höhle wesentlich verwahrloster aussah als die Frau.
Carol Berger zuckte mit den Schultern. »Die Kolleginnen schauen gerade nach den Leuten. Jedenfalls sind die meisten ziemlich mit den Nerven runter.« Der heftige Wind peitschte ihr Strähnen ihres roten Haares ins Gesicht.
»Wo ist der Pilot?«, wollte Wilson wissen. Er lächelte und wirkte unglaublich entspannt. Immer mehr Passagiere sammelten sich um die Gruppe beim Hubschrauber. Die meisten waren Weiße.
»Tot«, sagte die Stewardess knapp. »Wir sind am siebten Februar in Windhoek gestartet und zu den Victoriafällen nach Zimbabwe geflogen…«
»Die Welt geht unter und ihr macht eine Sightseeingtour?«
Dagobert lachte. »Das finde ich cool!«
»Business as usual – das war das Motto, das die Fluggesellschaft ausgegeben hatte.« Carol zuckte mit den Schultern. »Wir von der Crew nutzten die Gelegenheit und machten eine Art Evakuierungsflug für unsere Familien und einige Prominente daraus. Wir haben also eine Menge wichtiger Leute an Bord.« Eine Menge zahlender Leute, ergänzte Percival in Gedanken.
»Gibt es das immer noch – wichtige Leute?«, knurrte Dagobert. »Die sterben wohl zuletzt aus.«
»Korrekt«, kicherte Wilson. »Erst mit dem letzten Menschen stirbt auch der letzte Wichtigtuer.«
Außer ihm fand das keiner witzig, und unter den Passagieren der Boeing erhob sich unwilliges Geraune. Böse Blicke trafen den Ethnologen.
»Und warum fliegen Sie dann ausgerechnet nach Kenia?«, staunte Percival. »Es sind gut dreitausend Meilen von Namibia bis zum Kilimandscharo!«
»Es lief alles ziemlich chaotisch.« Die Stewardess seufzte.
»Wir suchten nach einer Hochebene, auf der wir vor den Tsunamis sicher sein würden. Die Meteorologen hatten die Flutwellen schon Tage vor der Katastrophe angekündigt. Den Einschlag haben wir dann aus elf Kilometer Höhe erlebt. Am neunten Februar flogen wir nach Harare, um zu tanken. Das dauerte, denn in Harare brannten die Treibstofftanks und wir mussten das Kerosin aus einem anderen Flugzeug abzapfen. Als wir Tage später die Startbahn von Trümmern frei räumten, um starten zu können, griffen uns Plünderer an. Die Kämpfe zogen sich hin, über zwanzig Passagiere starben, unter ihnen der Pilot. Der Copilot war Kenianer, er wollte unbedingt hierher zur Hochebene des Amboseliparks fliegen.«
Sie verstummte. Schweigend blickte sie von Gesicht zu Gesicht. »Danke, dass Sie gelandet sind«, sagte sie schließlich.
Unter der Menge der Fluggäste erhob sich Applaus. Ein paar weiße Männer klopften Major Mogbar und Percival auf die Schultern.
»Wer sind Sie?«, wollte Carol Berger wissen, als der Beifall sich gelegt hatte. Percival und seine Gefährten stellten sich mit kurzen Worten vor.
»Haben Sie was zu trinken?«, fragte ein kleiner Mann mit silbergrauem Haar und gepflegtem Schnurrbart. »Ron Fisher«, stellte er sich vor. »Das ist meine Frau Daisy.« Er wies auf eine zierliche Frau mittleren Alters. »Ich bin erster Staatsekretär des Außenministeriums von Namibia. Haben Sie jetzt was zu trinken, oder nicht?«
Dagobert deutete über die Köpfe hinweg nach Nordosten, wo das Seeufer lag. »Dreihundert Meter Fußmarsch, würd ich sagen, da findest du sogar einen Strand. Aber pass auf, dass kein Krokodil dich erwischt!«
Der Mann namens Fisher zuckte zurück und pumpte sich auf. »Wie reden Sie mit mir, Mann?!« Seine Frau machte ein empörtes Gesicht. Doch Dagobert kümmerte sich nicht darum, sondern wandte sich an Percival. »Wie geht’s jetzt weiter, Sir Percival? Ich schlage vor, wir suchen erst einmal Steine und Holz zusammen und bauen einen Unterschlupf. In dem Wrack wird kaum Platz für uns alle sein.«
»Auf die Dauer wohl nicht«, räumte Carol Berger ein.
»Wir haben Hunger!«, rief aus der Menge der Fluggäste ein hoch gewachsener Mann mit schwarzen Haaren. »Ich bin Doktor Kevin Goodman, der Vorstandsvorsitzende der Bank of Namibia, und ich schlage vor, dass wir auf dem schnellsten Weg etwas Essbares organisieren!«
»Mit Organisieren ist hier nicht viel gewonnen«, knurrte Major Mogbar. »Wenn Sie Hunger haben, müssen Sie eben jagen und fischen gehen, Mister. Allerdings sehen Sie mir nicht so aus, als könnten sie eine Thomson Gazelle von einem deutschen Schäferhund unterscheiden.«
»Was redest du da, Bursche?« Goodman trat vor und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Ich kenn mich aus mit
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