2124 - In der Zwielichtzone
kritisch, und sie bezweifelte nicht, dass der nächste Einsatz schon auf sie wartete. „Wann treffen wir im Solsystem ein?", fragte sie stattdessen. „Bald", antwortete Rakane, ohne sich von den Kontrollen abzuwenden. „Machen Sie sich keine Sorgen. Der Flug verläuft völlig planmäßig."
Warum?, dachte Bre. Warum verhält er sich so abweisend? Haluter sind bekannt für den Mutterinstinkt, den sie ihren Kleinen entgegenbringen. Aber es hat fast den Anschein, dass Blo Rakane mich nicht leiden kann. Oder mich nicht gern an Bord der ZHAURITTER sieht. Warum?
Sie musste es sich eingestehen, das Geheimnis, das den weißen Haluter umgab, beschäftigte sie. Und es wurmte sie, dass sie nicht dahinter kam. Konnte es vielleicht sein, dass Rakane einfach zu beschäftigt war? Dass er sie gar nicht richtig wahrnahm, weil er mit den Gedanken ganz woanders weilte? Aber nein, das konnte sie nicht so recht glauben.
Bre Tsinga war zweifacher Doktor der Xeno- und Kosmopsychologie. Schon in ihrer frühen Kindheit hatte sich an ihrem Umgang mit der Fauna des Dschungelplaneten Sabinn, ihrer Heimatwelt, gezeigt, dass sie die Gabe hatte, sich ganz besonders intensiv in andere Lebewesen hineinzuversetzen. Ihre schwachen empathischen Fähigkeiten prädestinierten sie geradezu zur „Tiersprecherin", als die sie schon gewirkt hatte, bevor sie nach dem Tod ihrer Eltern nach Terra gezogen war und dort ihr Studium absolviert hatte.
Warum also schien es ihr einfach nicht möglich zu sein, sich auch nur ansatzweise in den weißen Haluter zu versetzen und sein seltsames Verhalten zu ergründen?
Wieso betrachtete Rakane sie als Gast - aber keineswegs als gleichberechtigt? Und wieso schien sich diese Einstellung hauptsächlich auf das Innere der ZHAURITTER zu beschränken? Überall sonst kam sie eigentlich ganz gut mit ihm klar.
Bre atmete unwillkürlich erleichtert auf, als der Kugelraumer des Haluters am Solsystem in den Normalraum fiel.
Der Flug war fast vorbei.. Endlich. „Hier spricht Blo Rakane an Bord der ZHAURITTER", sagte der weiße Haluter. „Ich bitte um Einflugerlaubnis und Mitteilung der aktuell gültigen Tot-Frequenz."
Es dauerte verhältnismäßig lange, bis eine Antwort kam. Das Solsystem wurde, genau wie andere wichtige Welten der Liga Freier Terraner, von einer Aagenfelt-Barriere gesichert, die verhinderte, dass Schiffe eindringen konnten, deren Besatzung nicht über die aktuelle Tot-Frequenz verfügte. Sie wurde in unregelmäßigen,aber kurzen Abständen geändert. Raumer, die dennoch einen Einflug versuchten, wurden aus dem Hyperraum gerissen und außerhalb des Solsystems materialisiert was den solaren Einheiten Zeit genug gab, auf einen etwaigen Angriff zu reagieren.
Dabei kamen solche Raumschiffe verhältnismäßig glimpflich davon. Vor einigen Jahren wären sie in gezielt verminte Bereiche geleitet worden.
Bre bedachte Blo Rakane mit einem nachdenklichen Blick. Er war ein Albino, vielleicht der ungewöhnlichste Haluter, den es jemals gegeben hatte.
Mittlerweile kannte sie einen Teil von Rakänes Vorgeschichte. Als damals der Kosmokratenabkömmling Monos die Milchstraße erobert hatte, war Rakanes Elter, Aro Zeis, in eine zwanzig Millionen Lichtjahre entfernte Galaxis verschlagen worden und dort gestrandet.
Wie es bei Halutern üblich war, hatte Zeis, als er seinen Tod nahen fühlte, einen Nachkommers geboren, der sich jedoch als genetisch verändert erwies Rakane.
Zeis lebte lange genug, um sein Kind mit den Grundzügen halutischer Zivilisation vertraut zu machen. Rakane war allein aufgewachsen, fernab von jedem anderen Haluter, bis ihm schließlich, nach einer Odyssee von einhundert Jahren, 1261 die Rückkehr in die heimatliche Milchstraße gelungen war. Danach hatte er bei den Halutern gelebt, doch ein Teil der unkonventionellen Wesensart, die Rakane auszeichnete, beruhte sicher auf seiner Herkunft.
Rakane war nicht allein genetisch verändert. Er hatte sich unter fremdartigen Bedingungen sozialisiert, und sein Verständnis von Volk war nicht mit dem der anderen Haluter identisch.
Bre wusste natürlich, dass Haluter an sich Einzelgänger und damit keine sehr geselligen Lebewesen waren, jedoch über ein hoch entwickeltes, lockeres Gemeinschaftswesen verfügten. Es musste ein furchtbares Schicksal für solch ein Wesen sein, allein aufzuwachsen, und beträchtliche Auswirkungen- auf dessen soziale Entwicklung haben.
Icho Tolot hatte Bre gegenüber einmal angedeutet, dass er befürchtete, Blo Rakane stelle für
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