2130 - Der Wurm der Aarus
ihm schwebten. Mit einem höhnischen Kiemenschnalzen hielt der Rivale die beiden Portensoren hoch.
„Vaikiri, was tust du da?", rief Susa empört. „Dir haben sie wohl überhaupt kein Benehmen beigebracht!"
Portensoren zu stehlen war so ziemlich das schlimmste Vergehen im Wurm, das bei den Erwachsenen streng geahndet wurde. Kinder und Jugendliche verlockte das allerdings erst recht, denn sie waren oft zu derben Scherzen aufgelegt. Wenn sie beim Diebstahl erwischt wurden, bekamen sie richtig Ärger. Dass Vaikiri den Diebstahl so offen gewagt hatte, war erstaunlich; anscheinend verließ er sich auf den Rückhalt seiner Familie.
„Ganz im Gegenteil, teure Susa!", versicherte der Markierte und schwebte langsam in einer eleganten Wendung herab. „Ich würde dir niemals schaden wollen. Aber es ist sehr schwer, deine Aufmerksamkeit zu erringen... und dir zu zeigen, dass du zu oft das Schlupflid über den Augen hast."
„Ich verstehe kein Wort von deinem Geschwätz!" Susas Mund nahm eine violette Tönung an. „Gib mir meinen Portensor zurück!"
„Selbstverständlich, du Insel in meinem Meer." Vaikiri überreichte ihr den Portensor, wobei er darauf achtete, Cheplin nicht zu nahe zu kommen. Seine Freunde drängten sich zusätzlich dazwischen. „Ich wollte dich fragen, ob du mit mir zur Bühne kommst."
„Ach, deswegen hast du dieses Stück inszeniert", meinte Susa. „Wolltest du Werbung machen für deinen Auftritt?"
„Das Publikum ist mir wichtig, denn ich gebe eine besondere Vorstellung."
„Ach ja? Spielst du die Hauptrolle in Der alte Fisch und das Meer?"
Es war das Lieblingsstück der Aarus, ein klassisches Bühnendrama mit atemberaubenden Wasserspielen, Musikeinlagen und Schwebe-Akrobatik zur Entspannung zwischen den dramatischen Mono- und Dialogen und herzzerreißenden Liebesszenen. Es war die Geschichte eines alten Aarus, der am Strand während eines Sonnenuntergangs sein turbulentes Leben Revue passieren ließ und mit philosophischen Kommentaren versah, hauptsächlich über seine große, aber tragische Liebe, die wegen einer Vendetta zum Scheitern verurteilt war und von nun an zur Triebfeder eines von Unruhe getriebenen Lebens wurde, dessen Fazit letztlich in Versagen bestand. Die Aufführung dauerte über acht Stunden und wurde seit Aufbruch von Aar vor fast 160.000 Jahren regelmäßig aufgeführt, schon allein in Erinnerung an die sterbende Welt.
„Noch nicht", verkündete Vaikiri selbstbewusst, ohne auf die Ironie in Susas Stimme zu achten.
„Aber mein Stück ist auch nicht schlecht. Wirst du kommen?"
„Gib Cheplin seinen Portensor zurück!"
„Zuerst will ich die Antwort, dann kriegt er ihn."
Susas Lippen wurden dunkelviolett. „Du willst mich erpressen? Vaikiri von den Vika, du bist einfach nur abscheulich. Und der Letzte, mit dem ich irgendwohin gehen würde. Gib Cheplin jetzt seinen Portensor zurück und entschuldige dich!"
„Aber natürlich. Hier, fang!" Mit einem hässlichen Zahnklicken warf Vaikiri den Portensor mit aller Kraft hoch in die Schwerelosigkeit, unerreichbar für seinen Intimfeind.
Susa wollte sofort hinterher, aber Cheplin hielt sie am Arm fest. „Lass nur!" Seine Stimme klang ganz ruhig, selbst seine Lippen zeigten nicht mehr als ein blasses Rot.
„Du solltest dir besser helfen lassen, bevor du dich noch mehr blamierst", verhöhnte Vaikiri ihn.
„Und von dir hätte ich etwas Besseres erwartet, Susa, als dass du zu diesem Versager hältst!"
Inzwischen hatten sich eine Menge Jugendliche um die Kontrahenten geschart; keiner machte Anstalten, Cheplin aus der Patsche zu helfen. Kaum jemand hatte mitbekommen, auf welche Weise er seinen Portensor „verloren" hatte, daher glaubten die meisten, dass er unachtsam gewesen war.
Neugierig warteten sie ab, wie Cheplin sich herauswinden würde oder ob er sich ganz zum Gespött machte, wenn er um Hilfe bettelte.
Cheplin tauchte ab.
„Da flieht er vor der Blamage!", amüsierte sich Vaikiri und erhielt Beifall von seinen Anhängern. Er stieg auf und sicherte sich eine gute Position in der Nähe des Portensors.
Susa verließ mit aktiviertem Portensor das Wasser und schwebte zur Seite. „Ich glaube, du wirst gleich eine Überraschung erleben, Fischkopf!"
Ihre scharfen Augen entdeckten Cheplin bereits. Wie ein Torpedo kam er nach oben und schoss aus dem Wasser, die Arme angelegt und die Kiemen geschlossen; ein winziger Punkt in dem riesigen Innenraum des Wurms, der auf einen noch winzigeren Punkt zusteuerte.
In dem Dunst
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