2139 - Die Eltanen
Corina EhGon weinte an einem Stück. Sie traute sich für viele Tage nicht mehr aus ihrer Wohnhöhle heraus und schaltete den Energievorhang auf höchste Intensität. Sie wollte niemanden mehr sehen. Der Kommunikator lag wie ein weggeworfenes Stück auf ihrem Tisch. Wie sehr hoffte sie darauf, dass er sich einschaltete und wenigstens ein Lebenszeichen von Feki von sich gab.
Doch es kam nichts und ebenso wenig etwas von Ruim. Der Kommandant hatte die Letzte Stadt mit seinem Raumschiff verlassen und kreuzte jetzt innerhalb Tradoms, vermutlich in der Nähe des Kugelsternhaufens Virginox. Die Genetikerin war einsam. Sie traute sich nicht, Feki anzurufen. Seine ablehnende Haltung ihr gegenüber war ihr noch zu gut in Erinnerung. Aber das Schlimmste waren die Nächte. Corina hatte sie abermals mehrere Male vermieden, indem sie die Verdunkelung einfach ausließ. Die ganze „Nacht"über hatte sie im hellen Licht Kitas gelegen und die Augen offen gehalten. Schließlich aber war sie zusammengebrochen, und damit kamen die Träume wieder.
Der Kapuzenträger drang in ihre Wohnhöhle ein. Jedes Mal dauerte es länger, bis er den Dolch zückte. Jedes Mal gewannen seine Fragen an Eindringlichkeit - bis er ihr schließlich anbot, das Kind in ihrem Leib zu töten. „Dann wirst du leben", rasselte seine künstliche Stimme. „Andernfalls stirbst du mit ihm."
„Niemals!", erwiderte Corina angeekelt. „Kein Eltane wäre dazu fähig! Genauso wenig wie zu einem Mord!" Zur Antwort stach er zu.
Die Träume waren so realistisch! Sie wurden von Mal zu Mal intensiver. Corina begann damit, den Schlaf konsequenter zu unterdrücken. Es war ihr ein Leichtes, sich in der Station die dazu notwendigen Medikamente zu besorgen. Dass sie dabei noch mehr zum körperlichen Wrack wurde, nahm sie lieber in Kauf als die Albträume.
Sie nahm die Aufputschmittel, um wach zu bleiben, und Aufbaupräparate, um die Auswirkungen des Schlafentzugs zu minimieren. Sie zwang sich zum Essen und Trinken. Ihr Gesicht fiel noch mehr ein, um die Augen hatte sie rote Ränder. Sie ging kaum zur Arbeit, und wenn doch, dann fühlte sie sich von den Blicken der Kollegen verfolgt. Jeder sah, in welch erbärmlichem Zustand sie sich befand. Und jeder musste sehen, dass sie schwanger war. Es wurde hinter ihrem Rücken geflüstert. Freunde von früher wandten sich von ihr ab. In ihren Blicken lag eisige Ablehnung. Ruim war fort. Zu Feki konnte und wollte sie nicht gehen. Sie war zu einer Fremden in der Letzten Stadt geworden. Aber mit irgendjemand musste sie reden. In ihrer Verzweiflung verfiel sie auf den Gedanken, sich Dohga DaLur anzuvertrauen. Er war einer der ältesten Philosophen und immer eine Art väterlicher Freund gewesen. Bisher hatte sie darauf verzichtet, sich ihm zu offenbaren, denn sie fürchtete, dass auch er, der Uralte, sie verurteilen und verstoßen würde. Also machte sie sich auf den Weg.
Dohga DaLurs Wohnhöhle, in der er allein lebte, erstreckte sich einige hundert Meter über der ihren, knapp unterhalb des Plateaus. Corina EhGon, zum - Wrack abgemagert und mit einem in krassem Widerspruch dazu wachsenden Bauch, den auch weite Kleidung nicht mehr zu verdecken vermochte, vertraute sich den Nullschwere-Feldern an, die am Steilhang vorbei nach oben führten. Dieser Transport geschah rein automatisch. Nie hatte sie einen Gedanken an die Frage verschwendet, wie diese Felder funktionierten, wer sie schaltete, woher die Energie kam. Sie waren da und ließen sich durch einen einfachen akustischen Befehl steuern, so dass sie beliebige Höhlen miteinander verbanden. Es war Eltanen-Technik, Technik der Ahnen, die die Heutigen zwar nutzten, aber nicht mehr begriffen. Vielleicht kannten einige der Bewohner der Unterstadt alte Geheimnisse.
Wahrscheinlich bewahrte CAUSIO sie auf.
Aber das war nicht Corinas Sorge. Sie glitt in dem Nullschwere-Feld bergaufwärts, und als sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, geschah es.
Das Feld erlosch. Corina verlor den Halt. Sie schrie auf und stürzte in die Tiefe wie ein Stein. Instinktiv schlug sie mit den Armen um sich. Dann prallte sie gegen einen Felsvorsprung und krallte sich mit beiden Händen fest. Sie fand Halt. Ihr Körper war leicht. Die künstliche Schwerkraft der Letzten Stadt zerrte an ihr und wollte sie herabziehen, aber die Genetikerin kämpfte. Ihre Finger waren blutig, doch sie behielt den Halt und schaffte es, die Füße ebenfalls auf einen Vorsprung zu setzen.
Corina klebte an der Wand. Ihr Leib war
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