214 - Der Mann aus der Vergangenheit
bewundert hatte, war die Effektivität der Dampfmaschinen binnen zweier Jahrzehnte um das nahezu Sechsfache angestiegen.
Kondensator und Schubkurbelgetriebe hatte Watt geschaffen. Eine Dampfbefeuerung von beiden Seiten der Kolben. Theroretische Erkenntnisse zur Entwicklung eines Fliehkraftreglers und Sicherheitsventile stammten ebenfalls von ihm.
All dies waren Dinge, die den Franzosen während der nächsten Wochen und Monate bewegten.
Wiederum hieß man ihn wahnsinnig. Wiederum traute man ihm nicht zu, seine Ziele zu erreichen. Wiederum wurde er das Ziel von Hohn, Spott und Gelächter.
Es berührte ihn nicht. Er konnte sich auf seine Überzeugungskraft verlassen, und auf sein Charisma.
Wabo und Nikombe wurden zu seinen engsten Mitarbeitern. Sie konnten zwar nicht mit seinem eigenen Tempo mithalten, aber sie standen treu zu ihm und schafften es, dank ihres Auftretens und ihres persönlichen Einsatzes, die Völker der Ambassai und Ashti endgültig zu befrieden.
De Rozier heuerte Frauen und Männer an. Junge kräftige Frauen und Männer, die sich von seinen Visionen verführen ließen und an seinen Träumen teilhaben wollten.
»Wir wollen die Stadt Paris-à-l’Hauteur nennen!«, rief Pilâtre de Rozier laut über die Versammelten hinweg. »Sie wird Platz für mehr als zweihundert Menschen bieten. Wir werden der Sonne näher sein als jemals irgendwer zuvor. Es bedarf lediglich der Kraft des Dampfes, sage ich euch, um diesen großartigen Traum in Erfüllung gehen zu lassen. Niemand wird uns dort oben, der Erde entrückt, angreifen können; wir werden herrschen und beherrschen. Feinde, die ihr zu haben glaubt, werden keine Möglichkeit mehr haben, euch etwas anzutun. Vertraut mir, meine Freunde…«
Er gab einen Wink. Die ISABELLE stieg in die Höhe, und wenige Augenblicke später eine zweite Rozière, die er MARIE-ANTOINETTE getauft hatte. Dann die MAGDELEINE, und schließlich die VIVIENNE.
In ihrer Mitte befand sich eine riesige Bastschüssel, mehr als dreißig Meter im Durchmesser. In ihr hockte ein gutes Dutzend Menschen. Sie wankten über den unsicheren Boden, hielten sich krampfhaft an Haken und Halteschlaufen fest. Pilâtre gab den sorgfältig angelernten Steuermännern der vier Rozièren Handzeichen, sodass sie die Steiggeschwindigkeit der vier Luftschiffe aneinander anglichen. Die Bastschüssel glitt in die Waagerechte und stabilisierte sich in einer Höhe von etwa zwanzig Metern.
Die Männer, seine treuesten und tapfersten Anhänger, griffen zu bereitliegendem Baumaterial, während Pilâtre de Rozier mit seiner Ansprache fortfuhr: »Seht, was möglich ist, wenn man nur will! Seht genau zu, was dort oben während der nächsten Stunden geschieht. Schenkt mir euer Vertrauen! Ihr wisst, dass ich euch noch niemals enttäuscht habe, dass meine Vorhersagen bislang immer präzise eingetreten sind…«
Die Blicke der Versammelten schwankten hin und her.
Sie lauschten ihm, und sie versuchten das zu sehen, was in der Bastschüssel geschah. Manche murmelten seltsame Gebete, andere sprachen Beschwörungsformeln. De Rozier machte auch Pajamba aus, den Medizinmann von Wabos Stamm. Er sah zwei Häuptlinge und deren Söhne, und er lächelte über ein junges Mädchen namens Lazefa, das ihn mit ungetrübtem Selbstvertrauen betrachtete.
Zwei Stunden vergingen. Die vier Rozièren blieben im Viereck, von langen Seilen in Position gehalten. Wabo, Nikombe und alle anderen, die das Abenteuer des Jonglieraktes im Bastkorb auf sich genommen hatten, arbeiteten munter drauflos. So lange, bis sie fröhlich herabwinkten. Sie schwitzten und grinsten und freuten sich.
»Es ist möglich!«, rief Pilâtre de Rozier erleichtert und deutete auf die sich langsam absenkenden Luftschiffe.
»Seht her, was geschehen ist: Meine Freunde haben zwei Hütten ins Innere der Schüssel gebaut! Häuser, die bezugsfertig sind. Jedermann, der will, kann nun hinaufklettern und sich persönlich von den Wundern dieses Bauwerks überzeugen. Zehn meiner Freunde werden eine Woche lang in den Ballons und in den Hütten ausharren und beweisen, dass es möglich ist, in einer lichten Höhe von mehr als fünfzig Metern ein normales, ein angenehmes Leben zu führen. Lebensmittel, Getränke und Feuermaterial werden an Seilen hoch gehievt.« Er machte eine kurze, eine bedeutsame Pause. »Es ist noch Platz für zehn weitere Tapfere. Wer jetzt will und den Mut dazu findet, kann sich bei diesem einmaligen Experiment davon überzeugen, dass ich die Wahrheit
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