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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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der tavernes verschwinden konnte.
    Jean-François eilt näher. Lautlos, konzentriert. Er zieht das Rapier blank. Rammt den Dieb von hinten, lässt ihn über sein ausgestrecktes Bein stolpern, sodass er zu Boden fällt, tief in den Straßenstaub taucht.
    »Alors!«, ächzt der Kerl und dreht sich verärgert auf den Rücken…
    Gib ihm nur ja keine Zeit zum Überlegen! Du kämpfst nicht fair, sondern so, wie es diese Hunde gewohnt sind: gemein und hinterhältig, ohne Rücksicht.
    Ein Tritt in den Magen, mit aller Wucht geführt. Ein weiterer gegen das Kinn des Mannes. Die Lippe platzt, Blut spritzt in weitem Bogen beiseite.
    Der Pariser, seine Stichwaffe. Jean-François rammt sie seinem Gegner durch den Stoff des fadenscheinigen Hemds und achtet darauf, dass die Klinge mit dem dreieckigen Querschnitt den Arm lediglich ritzt.
    Ritzt, aber nicht weiter verletzt.
    »Gib mir die Geldkatze!«, fordert er. Noch während er droht, tastet er nach dessen Waffe. Es handelt sich um den hölzernen Griff einer Muskete, aus der ein fingerlanger Dorn hervorragt.
    »Was willst du von mir, Mann?«, fragt der Straßenräuber. Sein Mund schwillt sichtbar an, seine Sprache ist undeutlich. Er atmet rasch, er hebt beide Arme zum Schutz, er fürchtet sich.
    »Du weißt, wovon ich spreche. Gib mir das Geld, oder…« Jean-François lässt die Spitze des Parisers über den Oberbauch seines Gegners gleiten. Der Mann unterwirft sich. Da ist kein Widerstand mehr spürbar. Nur noch die Angst. Er glaubt Jean-François. Er weiß, dass dieser es Ernst meint.
    »Da! Da! Da!«, jault der Strauchdieb, und wirft ihm den ledernen Beutel zu. Mit Armen und Beinen will er sich frei strampeln. Jean-François zieht ihm eine dünne Spur über die Rippenbögen. Die Waffe dringt nicht allzu tief ein. Gerade so weit, dass die Haut platzt, und dass seinen Gegner die Schmerzen erschrecken.
    Jean-François lächelt ihn an. Möglichst ungerührt und freundlich. So, als hätte er soeben ein Kätzchen gestreichelt. So, als wäre er ein Wahnsinniger, der nicht weiß, was er tut.
    Er lacht. Laut und dröhnend. Die Töne hallen von den Häusern wieder, und sein Gegner verschwindet auf allen Vieren in der aufkommenden Dunkelheit.
    ***
    »Würden Sie mich bitte dem Herrn des Hauses melden?«
    Der Diener blickte Jean-François an. Indigniert und von oben herab. Die Einfachheit seines Gewandes war nur zu offensichtlich.
    »Ich glaube nicht, dass er irgendetwas mit Ihnen zu tun haben wollte, mein Herr. Au revoir…«
    »Sagen Sie ihm bitte, dass ich etwas besitze, das ihm gehört.« Jean-François stellte einen Fuß in die Türe, bevor sie der Diener vor seiner Nase zuschlagen konnte.
    »Melden Sie bitte, dass Jean-François Pilâtre de Rozier ihm seine Aufwartung machen möchte.«
    Der Lakai zögerte und überlegte angestrengt. Ein Hausierer oder Betrüger hätte wohl schon bei der ersten Abweisung aufgegeben. Und er würde mit Sicherheit keinen Namen nennen. Verbrecher trugen keine Namen.
    »Wenn Sie etwas abzugeben haben, bin ich gerne bereit, es entgegenzunehmen.«
    »Nein, mon ami. Diese Sache geht nur deinen Herrn und mich etwas an.«
    Erneut zögerte der Diener. Diesmal etwas länger. »Na schön. Warten Sie hier. Gnade Ihnen Gott, wenn Sie die Zeit meines Herrn unnötig in Anspruch nehmen. Dann hetze ich Ihnen die Hunde auf den Hals.«
    »Wären Hunde im Haus, hätte ich sie längst keifen gehört. Außerdem sind Hunde in den Häusern entlang der Bièvre verboten.« Jean-François lächelte unverbindlich.
    Der Mann sollte ruhig wissen, dass er ihn in jeder Hinsicht durchschaute.
    Ein verärgerter, aber auch irritierter Blick traf ihn.
    Dann schloss sich das eichene Tor.
    Minuten vergingen. Ein Kerzenlicht wurde nahe des rechten Butzenfensters entzündet. Jean-François konnte eine kräftige männliche Stimme hören.
    Die Türe öffnete sich erneut. Jean-François konnte sein triumphales Grinsen kaum verbergen. Dies war in der Tat der Mann mit dem Dreispitz, den er heute auf der Straße beobachtet hatte. »Habe ich die Ehre mit Monsieur de Balzac?«, fragte er und machte seinen untertänigsten Diener. »Ich habe die Ehre, etwas zurückzubringen, das Euch gehört.« Er zog die Geldkatze hervor, auf die ein einfach gehaltenes Wappen gestickt war. »Ein Strauchdieb wollte mich heute überfallen. Ich konnte ihn zurückdrängen und überwältigen. Dabei fiel mir dies hier in die Hände…«
    Justin de Balzac nickte, dann schüttelte er den Kopf, völlig überrascht, als

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