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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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wüsste er nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte.
    »Ihr seid mir herzlich willkommen, junger Freund«, sagte er schließlich und winkte ihn an sich vorbei ins Haus. »Entschuldigt bitte mein Erstaunen. Aber ein ehrlicher Mann in Paris ist in etwa so selten wie eine sechzehnjährige Jungfrau.«
    Jean-François trat ein. Er roch das Bohneröl, den Spiritus, Talg, Urin und Fett. Er sah saubere, wohlgeordnete Möbel und, in einem beleuchteten Zimmer im Hintergrund, Bücher und Ausrüstung eines Alchimisten. Und er bewunderte das junge Mädchen, das ihn mit verängstigten Augen anblickte. Ihre zierliche Figur war hinter einem mit Rüschen besetzten Hauskleid verborgen. »Ich bin mir sicher«, sagte er und verbeugte sich galant vor der Demoiselle, »dass Ihr eine dieser überaus seltenen Pretiosen in Eurem Haus habt.«
    Das Mädchen errötete, wie sich’s gehörte, und warf ihm einen Blick zu, der ihn hoffen ließ, dass sie für eine Eroberung ihrer jungfräulichen Festung zu haben war.
    ***
    »Du bist zu hitzig, Jean-François«, sagte Magdeleine und schmiegte sich zärtlich an seine Brust.
    »Ich dachte, du hättest es nur allzu gerne, wenn ich dich im Sturm erobere.« Er blickte die junge de Balzac, die ihm seit Monaten das Bett in der Mansarde wärmte, verwundert an.
    »Ich meinte doch nicht deine Leidenschaft, Dummerchen.« Ihr graziler Finger zog die Linie seiner scharfgratigen Nase nach. »Mir geht es darum, wie du die hohen Herrschaften in den Schulen und in der Akademie behandelst. Papa zeigt sich zusehends besorgt. Du hast wichtige, einflussreiche Leute verschreckt, und dein Mangel an Respekt vor den Leistungen Anderer hat sich bereits weit herumgesprochen.«
    »Aber was!« Jean-François stand abrupt auf. Er öffnete das Fenster und sah hinab, wie er es so gerne tat. »Viele dieser alten Knacker betrachten sich selbst als Maß aller Dinge. Eifersüchtig buhlen sie um Ämter und Titel, dulden niemanden neben sich selbst, wollen alle Meriten einheimsen.«
    »Und du bist da natürlich ganz anders«, sagte das junge Mädchen und lachte. Sie spritzte Wasser aus der flachen Schüssel über ihren Unterleib. Mit einem pomadisierten Tuch rieb sie den Körper trocken. »Wenn es nach dir ginge, würdest du alle Macht an dich reißen, das Bürgertum vor der Knechtschaft durch den Adel befreien, eine Revolution lostreten und dich selbst als primus inter pares einsetzen, dem alle jederzeit zu huldigen haben.«
    »Und diese Frechheiten muss ich mir von einem siebzehnjährigen Gör gefallen lassen?« Er packte Magdeleine an den Oberarmen und küsste leidenschaftlich ihren Hals. »Ich kann nun mal nichts dafür, dass ich gescheiter, besser, vorausschauender und weiser bin als dieser Haufen aufgeblasener Affen«, murmelte er gequetscht.
    »Vorsicht, mein Guter.« Sie kicherte. »Auch ma père gehört zu diesen aufgeblasenen Affen.«
    »Dann wärst du eine Affentochter, was ich beim intensiven Studium deines Körpers wohl längst bemerkt hätte.« Er küsste sich nach oben, liebherzte ihre Wangen, die Augen, den Mund. »Ich nehme deinen Vater wohl oder übel aus meiner Bewertung aus.«
    »Dieser Versuch, dich aus deinem Unglück herauszuwühlen, wird nicht gelingen, indem du mir die Haut vom Körper schleckst. Ich erwarte eine Entschuldigung, Kerl!«
    »Verzeih mir, meine Blüte. Mein Labsal. Hort meiner Erquickungen. Brunnen meiner Wiedergeburt, in den ich täglich eintauchen muss…«
    »Ferkel!« Magdeleine kicherte.
    »Dann lass mich das Ferkel sein, das an den Zitzen der Muttersau saugt. Wo sind sie denn geblieben? Ah – da haben wir sie schon! Rosafarben und prall und reif sind sie; kein Wunder, dass mich ständig nach ihnen dürstet…«
    ***
    Magdeleine hatte natürlich Recht. Immer wieder ging das Temperament mit ihm durch. Er verlor die Kontenance und beleidigte mit hässlichen Worten die angesehensten Männer, die an der Akademie der Wissenschaften oder an der altehrwürdigen Sorbonne lehrten.
    Erst letzte Woche hatte er eine Diskussion mit Charles Augustin de Coulomb angezettelt und ihn in aller Schärfe kritisiert, als es um die geheimnisvolle unsichtbare Kraft ging, die vielleicht eines Tages die Welt erleuchten würde.
    Die Theoreme des so gestelzt sprechenden Mannes waren anstrengend und in unnötige Formalismen gepackt. Der Mathematiker konzentrierte sich auf ein solch schmales Teilgebiet der naturwissenschaftlichen Forschung, dass die Vergeudung seines Talents fast obszön wirkte. Hätte er sich mit

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