2157 - Die Wurmreiter
noch wie gelähmt und zitterte am ganzen Leib. Er wünschte sich weit fort, am liebsten sogar tot. Dieser Tag war schlimmer als der Todestag seiner Eltern, und er wusste nicht, wie er ihn jemals überstehen sollte. Ihm war sterbenselend, sein Herz verkrampfte sich vor Schmerz, nicht weniger sein Magen.
Und dann ... geschah das Seltsame.
Plötzlich brüllte der Sturm erneut los, mit größerer Wucht als zuvor, und Emboy Wogelkem sah zu seinem Entsetzen, wie sich die Wolken direkt über ihm teilten. Und dann kam etwas herunter, ein merkwürdig blau leuchtendes, walzenförmiges Ding, ungefähr hundertmal so lang wie ein Flugwurm und mehr als hundertmal so dick. Es schien auf dem Sturm zu reiten, ganz ruhig und lautlos, obwohl es keine Flügel besaß. „Nein", flüsterte Emboy. Dann lauter: „Nein, nicht so! Nicht ... das!"
Soweit es ihm in der Senkrechten möglich war, trommelte er mit Händen und Füßen auf Gurrus Hals. „Gurru, wir müssen weg hier! Wir müssen fliehen! Verstehst du nicht?"
Der Flugwurm verstand tatsächlich. Er begriff, dass dieses riesige Ding, das besser flog als er und so viel größer war, obwohl es hier nichts gab, was größer sein konnte als eine Ohrenschlange, Gefahr bedeutete. Er wollte nicht abwarten, was geschah, selbst wenn es bedeutete, im Sturm an einen Felsen geschmettert zu werden. Aber dieser Platz war nicht mehr sicher.
Gurru stieß sich ab, breitete die Schwingen aus und versuchte zu gleiten. Das brachte ihn zwar gefährlich nahe an das walzenförmige Flugding, aber weg von den Felsen. Als er den Abstand als ausreichend ansah, legte er die Flügel an und ging in den Sturzflug.
Nach kurzem, freiem Fall, der in Emboy Wogelkem früher ein lautes Jubeln ausgelöst hätte, öffnete er die Flügel wieder und ging gleichzeitig in eine schiefe Lage. Emboy blieb die Luft weg, es schüttelte ihn so heftig durch, dass er alles andere vergaß, auch seine vorherige Todessehnsucht, und sich angstschreiend festklammerte.
Gurru krächzte ebenfalls, aber er ließ sich nicht aus der Bahn werfen. Der gewaltige Bogen gelang ihm, und er flog an der Südkante vorbei zurück auf die Nordseite des Berges, wo sich der Sturm zusehends beruhigte. Mit kräftigen Flügelschlägen nahm er Kurs auf Azzati-Tribo.
Der Sturm hatte auch in der Siedlung reiche Ernte gehalten. Viele Hütten waren eingestürzt, die verbindenden Leitern zu den höher gelegenen Etagen zerbrochen, zahlreiche Felder verwüstet. Einen Sieg hatte es an' diesem Tag nicht gegeben. Die Azzati kehrten ange schlagen nach Hause zurück, mit vielen Verwundeten und Toten. Der einzige Trost war, dass es den Orichi schlechter ergangen war. Über zwei Drittel des Stammes waren umgekommen, der Rest versprengt, Orichi-Tribo dem Erdboden gleichgemacht. Die Orichi würden sich von diesem Schlag nie mehr erholen, aber es war fraglich, wann die Azzati in der Lage waren, das neue Gebiet zu besiedeln. Es war gut möglich, dass sich ein anderer Stamm bereits auf den Weg begeben hatte, das neue Territorium zu besetzen, und dann wären alle Mühe, alle Opfer vergebens gewesen.
Das Wehklagen war weithin zu hören, denn der Sturm war vorüber. Es war kalt geworden, die Sonne lag immer noch hinter den Wolken verborgen.
Der Dschungel dampfte, schwere Tropfen fielen aus den höchsten Wipfeln und trafen sich auf anderen Blättern zu einem trommelnden Konzert, bevor sie weiterrollten und ihren Fall fortsetzten. Nebelschwaden zogen über das Feld der Verwüstung und verstärkten das Gefühl der Trauer. Die Flugwürmer waren gelandet und versorgt worden. Unter ihnen hatte es keine Verluste gegeben, denn die Orichi hatten nicht mehr aufsteigen können.
Aber es hatte ebenso wenig Beute gegeben. Nicht einen einzigen Mann, keinen Wurm, nicht einmal ein Kind. Emboy Wogelkem kehrte als Letzter zurück; Gurru keuchte. Der Flugwurm war am Ende seiner Kräfte, und bei der Landung brach er sich beinahe das Genick. Emboy flog in hohem Bogen aus dem Sattel und rollte genau Rupe Cormaron vor die Füße. Sein alter Meister sprach kein Wort, aber er gab zwei anderen Wurmreitern ein Zeichen. Sie packten den jungen Perminen und fesselten ihm die Hände auf den Rücken. „Was tut ihr da?", rief Emboy. „Ich muss Gurru versorgen! Lasst mich sofort frei!"
„Ich erledige das ... persönlich", sagte Rupe.
Emboy sah plötzlich eine Faust auf sein Gesicht zufliegen. Dann verspürte er einen heftigen Schlag, und es wurde dunkel um ihn. Die Dunkelheit war gnädig, und Emboy
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