2164 - Kinder der Sterne
entbrannten heiße Diskussionen über das Verhalten der Helioten sowie über die Erkenntnis, dass das Universum nicht wie bisher angenommen in zwei Kategorien, in Ordnung und Chaos, aufgeteilt ist, sondern dass eine dritte treibende Macht existiert. Diese Macht entstand aus dem durch die Sporenschiffe verstreuten Leben, und seine Vertreter scheinen alle bisherigen Gesetze über den Haufen werfen zu wollen. Die meisten Besatzungsmitglieder haben sich in Gedanken mit der Gefahr abgefunden. Das ist verständlich, denn derzeit ist unsere Suche noch viel zu abstrakt.
Wir wissen nichts über die Helioten, wir haben keine Ahnung, welche Gesinnung sie haben, und wir können uns nicht vorstellen, auf welche Weise wir sie von ihrem Tun abbringen sollen.
Immerhin arbeiten sie seit Millionen von Jahren an der Katastrophe, es ist ein sehr lange währender Plan. Natürlich läuft uns hingegen die Zeit davon, denn wir treten genau in dem Moment auf die Bühne, wenn sich die Lage so zugespitzt hat, dass sie praktisch völlig verfahren ist. Wenn ich die Stimmen unserer Leute höre, so kreisen ihre Gedanken vor allem um ihre Familien und Freunde, die ahnungslos in der Milchstraße leben. Sie wollen sie um jeden Preis schützen, und allein das ist schon ein gewaltiger Antrieb für unsere Reise. Ganz leicht ist es nicht für mich, die SOL direkt in eine Gefahrenzone zu manövrieren, mit 47 Kindern und über hunderttausend Mom'Serimern an Bord. Aber auf der anderen Seite sage ich mir, sie sind Kinder der Sterne, die SOL ist ihre Heimat. Auch sie haben ihre Aufgabe und werden in der einen „oder anderen Sache eine wichtige Rolle zu spielen haben.
Unser Hantelraumer war seit jeher ein Generationenschiff und hat stets Fahrten ins Unbekannte unternommen. Es gehört dazu, neues Leben zuzulassen, damit alles in Bewegung bleibt, denn wenn etwas von Bestand sein sollte, dann ist es die Veränderung. Diese siebenundvierzig Kinder werden heranwachsen und die Dinge mit anderen Augen betrachten als wir. Es gehört zur Evolution, solche „Experimente" zu wagen, sei es nun unmittelbar die Natur oder wir selbst. Das Leben hat sich also als die dritte Instanz in unserem universellen Gefüge konstituiert. Erste Ansätze für all das haben wir bereits bei unserer Zeitreise in Segafrendo festgestellt.
Eine solche Entwicklung ist den Kosmokraten, den Vertretern der Ordnung, nicht recht, denn sie haben keinen Einfluss darauf und können sie nicht steuern. Wie muss ihnen dabei zumute sein, denn schließlich haben sie die Entwicklung des Lebens selbst begonnen... Die Chaotarchen werden eine Weile zusehen. Alles, was den Kosmokraten missfällt, wird ihnen zunächst als Kontrapunkt gefallen. Doch auch sie werden zu der Überzeugung gelangen, dass das Chaos zwar zunimmt, aber in einer Art, die außerhalb ihres Machtbereiches liegt. Deshalb ist es auch für sie auf Dauer nicht akzeptabel. Nekrophoren werden nicht genug Leben auslöschen können, als dass es sich nicht wieder durchsetzt. Die Frage ist nun: Werden die Chaotarchen eingreifen und dafür sorgen, dass wir scheitern? Werden sie die Helioten fördern oder ausnahmsweise ihre Widersacher, die Kosmokraten, unterstützen und die Galaxienzünder aktivieren?
Damit schlage ich mich gedanklich herum, seit wir nach Salthi unterwegs sind. Ich hoffe, eine Lösung in diesem Konflikt zu finden, bevor die Milchstraße im Kampf zwischen den Mächten zerrieben wird. Es sieht diesmal wirklich so aus, als wäre es gleichgültig, was wir unternehmen - wir werden verlieren. Zusammen mit SENECA habe ich die Möglichkeiten durchgespielt, was uns im Ersten Thoregon erwartet, wer die Helioten sein könnten und was ihre tatsächlichen Absichten sind. Wie stehen die Chancen, sie von ihrem Tun abzubringen oder sie davon zu überzeugen, dass ihr Vorhaben das universelle Gefüge erschüttern und teilweise zerstören wird?
Viele Fragen, viele Möglichkeiten. Abgesehen von vielen „Auswertung nicht möglich"-Antworten, ergeben sich völlig unterschiedliche Chancen für ein und dieselbe Frage, wenn sich eine Voraussetzung auch nur um eine Winzigkeit verändert. Was letztlich dazu führt, dass ich irgendwann frustriert aufgegeben habe und nun mit einem gewissen Fatalismus auf mich zukommen lasse, was uns erwarten mag. Ich hätte es mir anders gewünscht, denn als Expeditionsleiter hängt die Verantwortung an mir. Die Leute erwarten, dass ich Optimismus zeige und das Wunder eines Auswegs biete, einer Lösung. Die Dinge sind viel
Weitere Kostenlose Bücher