2164 - Kinder der Sterne
Seitdem ist in Arlo der Erfindergeist erwacht. Ich kann ihn kaum dazu bringen, in die Schule zu gehen. Er hat nicht einmal mehr Zeit für Streiche: Stundenlang sitzt er in seinem Zimmer und brütet über eine Maschine, die psionische Ausweise erstellen kann. „Fee?" Roman Muel-Chen, Oberstleutnant und mein Erster Pilot, ruft mich über Armbandfunk. Er ist ein Emotionaut und kann die SOL mit der SERT-Haube durch Gedankenimpulse steuern - schneller, als es SENECA könnte. Er ist elf Jahre jünger als ich, aber wir fliegen seit Jahren miteinander und in der SOL durch das, Universum. Das schweißt zusammen. „Wir sind da." Kurz und knapp, das genügt mir. Ich mache mich sofort auf den Weg in die Zentrale, wo mich ein Panoramaholo mit einer grandiosen Aussicht erwartet.
Im Orbit um eine rote Riesensonne, die sich voraussichtlich in hunderttausend Jahren in eine Nova verwandelte, kreiste der angepeilte Mega-Dom. Er war einhundertvier Kilometer hoch, und sein Stamm, der aus einem schwarzen, matten Material ohne Erhebungen bestand, erreichte 23 Kilometer Durchmesser. Zwischen Pilzhaube und Stamm saß eine Art Balkon, der ganz herumreichte, 120 Meter breit und zwölf Meter dick war. Auf dem Balkon standen einige Gebäude. Der Pilzhut bestand aus demselben silbrigen Material wie alle Pilzdome und erreichte einen Gesamtdurchmesser von 89 Kilometern. Die höchste Erhebung der Kuppel betrug knapp 35 Kilometer.
Anders als bei gewöhnlichen Pilzdomen war die 33 Kilometer weit auskragende Hutkrempe weicher und eleganter geschwungen, ohne scharfe Kanten. „Erstaunlich", stellte die Kommandantin fest, „die Krempe ist nicht harmonisch, sondern beult sich unregelmäßig auf einer Seite nach oben hin stärker aus. Wie bei dem Mega-Dom in DaGlausch auch. Das hat sicher etwas zu bedeuten." Auf der Oberfläche der Haube waren unzählige bis zu hundert Meter hohe Aufbauten zu erkennen, die auf Fee Kellind den Eindruck einer dicht besiedelten Großstadt machten. Es gab allerdings weder Gleiterverkehr noch irgendwelche Lebenszeichen.
Dafür umso mehr rund um den Dom, in respektvollem Abstand. Eine Unzahl Satelliten und Asteroiden, zwischen denen reger Flugverkehr herrschte, kreiste um den Mega-Dom. Riesige, weit ins All sichtbare Leuchtzeichen und Werbetafeln machten offensichtlich auf die unterschiedlichsten Vergnügungen aufmerksam; selbst auf fremde Besucher verfehlte das nicht seine Wirkung. „Da fühlt man sich doch gleich eingeladen", bemerkte Roman Muel Chen. Pria Ceineede, die Dritte Pilotin, hob den Kopf von den Kontrollen. „Die Ortung kommt kaum mehr mit, so viele Informationen gibt es", berichtete sie. „Unterschiedliche Lebensformen, ein ständiges Kommen und Gehen und die größtenteils funktionelle Bauweise der Gebäude auf und in den künstlich ausgehöhlten Steinbrocken mit unzähligen Landeplattformen lassen für mich nur einen Schluss zu: Es handelt sich um ein riesiges Marktzentrum. Es gibt zudem über ein Dutzend Stationen, Raumschiffswerften und Frachtplattformen. Der Mega-Dom scheint so etwas wie ein Zentrum der Galaxis zu sein, ein attraktiver Anziehungspunkt."
„Man kann ihn an diesem markanten Punkt und bei der Größe auch kaum verfehlen", meinte Fee Kellind. „Nach unseren bisherigen Erfahrungen mit den Domen geht keine unmittelbare Gefahr von ihnen aus, deshalb werden die Salthi-Bewohner kaum gefährdet sein. So hat sich hier wohl ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt gebildet."
„Der Mega-Dom ist inaktiv", überlegte Juno Kerast, der Zweite Pilot. „Kann es sein, dass er hier vorläufig nur geparkt ist, bis er Verwendung findet? Oder gehen die Helioten davon aus, dass eines Tages hier ein PULS gezündet werden könnte?"
„Spekulationen, die für uns momentan kaum von Interesse sind", sagte die Kommandantin. „Wir werden hindurchfliegen, sobald die Aura die richtige Programmierung hat. Während der Wartezeit wird ja wohl nicht so schnell ein solches Ereignis stattfinden ..."
„Wir werden angeflogen", meldete der Erste Pilot. „Zehn Schiffe unterschiedlicher Bauart, das größte hat eine Länge von etwa achtzig Metern. Der erste Scan hat ergeben, dass für uns keine Gefahr besteht, das technische Niveau liegt weit unter unserem. Soll ich sicherheitshalber schon mal die SERT-Haube aufsetzen?"
Fee schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass es notwendig sein wird."
„Wir werden gerufen", meldete Pria. „Auf Empfang gehen, noch keinen Sichtkontakt!", ordnete die Kommandantin an.
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