2166 - Durch den Zeitbrunnen
ihnen.
Ohne Teleporter-Anzug, auf den eigenen dünnen, zerbrechlich wirkenden Beinen. Vielleicht hatte er sich unter einem Deflektorfeld verborgen gehabt oder war unbemerkt aus dem Hologramm hervorgetreten Monkeys Versuch mit dem Armband zum Trotz. Der Oxtorner blieb reglos, so starr wie seine Kunstaugen. In seinem Gesicht zuckte nicht ein Muskel. Es war offensichtlich, dass er Saedelaere das Reden überlassen wollte.
Niemand sah, dass der Maskenträger überrascht die Augen aufriss und den Mochichi musterte. Die Proportionen der fragilen humanoiden Gestalt wirkten derart verzerrt, dass sich die Frage stellte, wie er überhaupt ohne Hilfsmittel auf den Beinen stehen konnte. Irgendetwas an diesem Körper erschien immer falsch, egal, aus welcher Perspektive man ihn anschaute. Das verunsicherte. Die riesengroßen schwarzen Augen wirkten wie Fremdkörper in dem wächsern bleichen Gesicht mit den dicken Knorpelsträngen. „Chiffa Phi ...", entfuhr es Saedelaere ungewollt. Für einen Augenblick hatte er wirklich geglaubt, dem Mochichi gegenüberzustehen, der sich für ihre Freiheit geopfert hatte. Die Ähnlichkeit war verblüffend. „Ich bin Ghem Jhegar", sagte der Kleine. Als er auf Saedelaere zutrat, hatten seine Bewegungen etwas hoffnungslos Kompliziertes. „Ungeübte Augen schaffen es nie, uns Mochichi zu unterscheiden." Er öffnete den Mund und wölbte den Knorpelstrang nach vorne, eine Geste, die unmöglich zu deuten war. Vielleicht Interesse oder Verwunderung.
Jedenfalls sagte er: „Dein Gesicht, Fremder, ist interessant. Welches davon ist das richtige?"
„Das unterste", antwortete Alaska. Ghem Jhegar schien zu nicken, wobei sein Kopf und die linke Schulter in Konflikt miteinander gerieten. „Erzähle!", bat er. „Wo und wann seid ihr Chiffa Phi begegnet, und wie geht es meinem alten Freund?" In dem Moment wusste Saedelaere, was Monkey befürchtete. Dass die Sprache zwangsläufig auf den Zeitbrunnen kam und vielleicht noch weiter zurück. Ebenso auf den Tod Chiffa Phis. Wie würde ihr Gegenüber darauf reagieren?
Aber Chiffa Phi hatte geraten, Jhegar zu vertrauen. Alaska entschloss sich, alle Bedenken zu ignorieren. Stockend erst, dann flüssiger begann er zu reden. Er nannte ihre Namen und erklärte, dass sie Angehörige eines großen raumfahrenden Volkes waren, das in seiner Heimatgalaxis Hunderte von Welten besiedelt hatte. Er sprach von dem Thoregon, dem die Milchstraße angehörte, doch die Namen der betreffenden Galaxien sagten dem Mochichi nichts. Jedenfalls zeigte er keine Regung. Monkey' beobachtete und schwieg und widmete sich dem Display seines Armbands. Aber nach wie vor bekam er keine brauchbaren Anzeigen. Alaska sprach von der Versetzung durch den Zeitbrunnen, ohne die LEUCHTKRAFT zu erwähnen.
Er schilderte Chiffa Phis Erscheinen, die kurze Zeit später auftauchenden Zeitbrunnenjäger und den Versuch des Mochichi, die Kattixu abzulenken. „Mein Freund ist tot, nicht wahr?", unterbrach Jhegar. „Es tut mir Leid", antwortete Alaska. „Er hat sich geopfert, ohne dass wir ihn davon abhalten konnten. Obwohl er geahnt haben muss, was geschehen würde." Jhegar bedeutete ihm mit einer knappen Geste, zu. schweigen. Augenblicke später ging ein Ruck durch seinen verschobenen Körper.
„Ihr tragt beide die Tarnkappen", stellte er fest. „Das ist gut." Halb an Monkey gewandt, fügte er hinzu: „Warum gibst du deine nutzlosen Versuche nicht auf? Mein Haus kannst du nicht ausspionieren." Sein Blick taxierte den auf der Schulter des Oxtorners sitzenden Lamuuni, als hätte er Mühe, den Vogel einzuschätzen. Anschließend schwieg er minutenlang. „Kommt!", sagte er endlich. „Ich habe mich entschlossen, euch zu vertrauen."
Eine fremde und faszinierende Weite öffnete sich vor ihnen. Es roch nach feuchtem Gras und Blüten. Schmetterlinge gaukelten durch die warme Luft und ließen sich von einer frischen Brise treiben. Der ferne Horizont versank im Nebel, der nur einige Höhenzüge erahnen ließ. Hoch am Himmel hing die von Kratern zernarbte schmale Sichel eines Mondes, während die Morgensonne sich gerade aus dem Dunst hervorwühlte und ihre goldgelben Strahlen den Himmel mit einem flirrenden Leuchten überzogen.
Zwischen dem fernen Horizont und den Betrachtern stampfte eine Herde langhalsiger Tiere über die Ebene. Noch während Alaska Saedelaere versuchte, Einzelheiten zu erfassen, begannen sie vor seinen Augen zu verschwimmen und wichen den vagen Umrissen banaler technischer
Weitere Kostenlose Bücher