218 - Nefertari
allem in der Dunkelheit, wenn die halb zerstörten weißen Häuser, die noch aus den bizarren Lava-Formationen ragten, im Mondlicht badeten.
Koroh hatte keine Angst vor den Geistern. Er wusste, dass es hier oben keine gab und der Wind für die klagenden Geräusche verantwortlich war, wenn er durch die leeren Fensterhöhlen und Türen pfiff. Der Schamane stieg über die Lava hinweg. Überall wüchsen Büsche, Gras und kleine Bäume. Die Natur holte sich allmählich wieder zurück, was die Huutsi ihr einst abgerungen hatten. Irgendwo schnaubte ein Tsebra. Koroh fuhr zusammen und merkte, dass er doch angespannter war, als er gedachte hatte.
Elloas Tsebra?
Ja. Seine Nichte erwartete ihn bereits. Das Mondlicht übergoss die wunderschöne Frau, die ihren Kopf mit den vielen bänderdurchsetzten Zöpfchen leicht schräg hielt, so als lausche sie auf etwas. Sie trug ihren kurzen Rock aus Crooc-Leder und eine knappe Büstenhülle aus demselben Material. Im Gürtel steckten zwei ihrer Crooc-Messer, mit denen sie schon zahlreiche der großmäuligen Wasserdeemons besiegt hatte. Der Tsebra-Hengst graste etwas abseits.
Sie lächelte und sah ihn aus ihren tiefgrünen Augen an, die geheimnisvoll im Mondlicht funkelten. »Hallo Onkelchen. Ich freue mich sehr, dass du gekommen bist. Ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen.«
»So lautete deine Nachricht, meine Liebe.« Koroh trat in den Schutz einer breiten Lavaspalte, um dem kalten Wind zu entgehen. »Du bist zwar wild und ungezügelt, aber du warst immer ein gutes Mädchen. Ich nehme an, dass du mit dem Verhalten deines Ehegefährten ebenfalls nicht mehr einverstanden bist. Willst du mir weitere Missetaten beichten, die er begangen hat?«
Elloa lachte leise. Sie trat an seine Seite. »Weißt du, Onkelchen, ich hasse Yao schon seit langer Zeit bis aufs Blut.«
»Du… du hasst ihn? Das wusste ich nicht. Warum? Ich dachte immer, er sei dir lediglich gleichgültig.«
»Nein.« Der Hass war nun tatsächlich deutlich in Elloas Stimme zu hören. »Wir waren einst ein heimliches Liebespaar, als wir noch jung und unschuldig waren.«
»Ihr wart…« Koroh verschlug es den Atem. »Du und Yao?«
»Ja. Ich sagte doch, dass es heimlich war und wir es tatsächlich vor Aller Augen verbergen konnten. Aber dann hat er mir etwas Furchtbares angetan, worüber ich nicht sprechen will. Seither hasse ich ihn, und mit jedem Tag und mit jedem Mal, wenn er mich beschläft, noch mehr.«
Koroh war verwirrt. »Aber das wusste ich gar nicht. Was… ich meine, was hat er denn getan? Und warum bist du dann seine Ehegefährtin geworden?«
»Egal, was er getan hat, Onkelchen. Wie gesagt, ich will nicht darüber reden. Und warum ich seine Gefährtin geworden bin, fragst du? Nun, ich weiß, dass du mich im Grunde meines Herzens für eine gefühlvolle, gute Frau hältst. Ich kenne aber nur ein Gefühl: Hass. Und nur ein Ziel: Ich wollte schon immer die Königin der Huutsi werden. Wenn nicht an Banyaars Seite, dann eben an der Yaos. Dem habe ich alles andere untergeordnet.« Sie sah einen Moment zum Himmel hoch. »Das Firmament erstreckt sich über ein unendliches Afra. Weißt du, von was ich träume, Onkelchen? Davon, dass Yao und ich die Fliegenden Städte erobern und dass wir uns damit Afra Untertan machen. Um dieses Ziel zu erreichen, spiele ich Yao Leidenschaft vor und unterstütze ihn auf jede Weise. Ich habe ihm sogar geraten, den Geheimdienst zu gründen, dessen Anführerin ich bin.« Sie lachte leise. »Wenn das Ziel erreicht ist, bleibt immer noch Zeit, diesem Monkee zu geben, was er verdient.«
»Ich… Mir fehlen die Worte. Warum erzählst du mir das alles?«
»Warum, Onkelchen? Kannst du dir das nicht denken? Du und die Konferenz, ihr versucht Yao und mir Steine in den Weg zu legen. Ich kann nicht dulden, dass jemand meine Ziele stört.«
Plötzlich funkelte eines der Crooc-Messer im Mondlicht. Blitzschnell stach Elloa zu. Koroh keuchte, während er nach vorne klappte und wie ein erlegtes Crooc auf Elloas Messer hing. Furchtbare Schmerzen rasten durch seine Eingeweide. Sie verstärkten sich noch, als die Königin das Messer nach oben zog. Röchelnd sank der Schamane zu Boden, zuckte noch ein paar Mal und blieb dann reglos liegen. Von Elloas Messer tropfte Blut auf die Kette aus Crooc-Zähnen, die sie einst selbst angefertigt und ihm geschenkt hatte. Aus Liebe.
Unbewegt stand sie da, während sich ein hünenhafter Schatten aus den Felsen löste und auf sie zu kam.
***
Am nächsten Morgen
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