218 - Nefertari
wollte umkehren. In diesem Moment bohrte sich ein Pfeil in seinen Rücken. Er fiel vornüber und klatschte in den Nil.
Plötzlich wimmelten die Kais von Bogenschützen. Tödliche Geschosse zischten durch die Luft, schlugen ins Wasser und trafen drei Hydriten in Hals und Kopf. Lautlos gingen sie unter, während die beiden, die an den Seilen des nubischen Schiffes hingen, ebenfalls abgeschossen wurden.
Jetzt erst reagierten die Hydriten. Blitze zuckten aus dem Wasser. Gleißende Lichtbahnen spannten sich zum Ufer hinüber, trafen ägyptische Bogenschützen und hüllten sie in ein elektrisches Netz. Die Getroffenen ließen ihre Waffen fallen, brüllten und führten groteske Tänze auf.
Trotzdem standen die Hydriten auf verlorenem Posten. »Rückzug, sofort Rückzug!«, befahl der Anführer in der klackenden Sprache seiner Rasse. Und die überlebenden Fischmenschen verschwanden so schnell wieder im Nil, wie sie aufgetaucht waren.
Nur Sekunden später trat der Anführer von Nefertaris Leibwache in Nedjehs Kabine und gab seiner Herrin ein Zeichen. Als er sich zurückzog, zauberte Nefertari den Kombacter unter ihrem Gewand hervor und richtete ihn auf Nedjeh.
Der machte große Augen. »Warum tust du das, Königin?«
Nefertari lachte hell. »Warum? Weil dein Verrat fehlgeschlagen ist, Elender. Meine Bogenschützen haben das hydritische Kommando in die Flucht geschlagen, das mich entführen und vor den Geheimen Rat von Gilam’esh’gad zerren sollte.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, erwiderte Nedjeh lahm.
»Lüg mich nicht an. Ich weiß schon lange von deinem Plan, denn ich habe meine Spione überall, selbst unter den Hydriten. Du hast mit einem Beobachter Kontakt aufgenommen und mich beim Geheimen Rat als blutrünstige Hydree angeschwärzt. Ich sollte in Gilam’esh’gad vor Gericht gestellt, geläutert oder verbannt werden. Nur aus diesem Grund hast du mich auf dein Schiff eingeladen. O ja, ich kenne jede Einzelheit deines Planes. Während ein Teil der Angreifer mich entführt, sollte ein anderer auch zwei, drei ägyptische Schiffe überfallen, sodass meine Entführung wie ein unglücklicher Zufall ausgesehen hätte.«
Die Königin lachte wiederum. »Doch ich bin klüger als du, Plank’tan. Du hast fast achthundert Jahre gelebt. Das ist mehr als genug. Ich aber werde, während du nun in die Ewigen Fischgründe eingehst, noch Tausende von Jahren unter den Menschen weilen und deren Geschicke bestimmen. Durch deinen Verrat an mir hast du deine Unsterblichkeit eingebüßt. Denn ich habe dafür gesorgt, dass im Augenblick deines Todes niemand bei dir sein wird, den du berühren kannst, damit dein Geist in den neuen Körper übergeht.«
Nedjeh brüllte in Todesangst. Er wollte aufspringen und E’fah die metallicblaue Waffe, die aus einem daumendicken Stil mit einer spindelförmigen Verdickung und einem ausgefahrenen Teleskopgriff bestand, aus der Hand reißen. Doch der nubische König war viel zu langsam. Ein greller Blitz traf ihn und löschte sein Leben auf der Stelle aus. Entseelt sank er in sich zusammen. Für den Geistwanderer Plank’tan war sein langer Weg in diesem Moment zu Ende.
Mosa, der hinter der halb geöffneten Tür stand, hatte das Gespräch in allen Einzelheiten mit angehört. Leise und von Grauen erfüllt zog er sich zurück, bevor seine Mutter vielleicht auch ihn tötete, weil er ihrem Geheimnis der Unsterblichkeit auf die Spur gekommen war.
***
Kiegal, Hauptstadt der Huutsi
Zentralafra, November / Dezember 2523
Am Morgen nach der Aussprache mit Yao erschien ein Bote bei Koroh. Er kam von Königin Elloa und steckte ihm eine sorgfältig verpackte und gesiegelte Nachricht zu. Diese besagte, dass sich Elloa heute Nacht mit ihm heimlich in den Geisterruinen treffen wolle, denn sie habe ihm etwas Wichtiges mitzuteilen.
Ein warmes Gefühl durchströmte Koroh, wenn er an seine Nichte dachte. Er liebte die Tochter seiner Schwester Muuma. Letztere war längst bei Papa Lava, lebte aber in Aussehen und Wesen in Elloa weiter. Und er hatte sich sehr gefreut, dass Yao sie zur Königin erkoren hatte. Bisher…
Kurz vor der Tageswende stieg Koroh zu den Geisterruinen empor. Sie lagen ein ganzes Stück abseits von Kiegal am Hang des Vulkans. Früher waren sie Teil der Stadt gewesen, bis Magma sie überdeckt hatte. In den Häusern waren viele Huutsi gestorben. Manchmal, des Nachts, konnten empfindliche Seelen ihre Geister grausig schreien hören. So wagten sich nur wenige Lebende in die Ruinen. Vor
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