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218 - Nefertari

218 - Nefertari

Titel: 218 - Nefertari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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Schiffsrand. Erschrocken schnaubte sie, konnte die Vorwärtsbewegung aber abfangen.
    In diesem Moment schraubte sich etwas aus der Tiefe empor. Ein gigantischer Berg durchbrach die Oberfläche. Noch während er nach oben schnellte, teilte er sich. Wasser spritzte und floss nach allen Seiten ab. Sherzade sah zwei Reihen messerscharfer Zähne, dicht an dicht sitzend, jeder so groß wie ihr Unterarm. Sie reflektierten das Licht des Mondes, der direkt über ihnen hing.
    Hinter den Zähnen nahm die Frau eine Art Kraterlandschaft wahr. Unbewusst, denn sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    Das riesige Maul, in das sie gut zwei Mal gepasst hätte, stülpte sich über ihren Oberkörper. Während der gut sechs Meter lange Baarsch schon wieder zurück ins Wasser fiel, ließ er seine Kiefer zuklappen. Es wurde finster um Sherzade. Das Letzte, was sie wahrnahm, war ein furchtbarer Gestank. Zeit für aufkommende Übelkeit blieb ihr nicht mehr.
    Als der Baarsch in den Nil zurück klatschte, nahm er Sherzades sauber abgetrennten Oberkörper mit. Das, was übrig geblieben war, nicht viel mehr als Gesäß und Beine nämlich, kippte in einer Blutlache nach hinten und fiel auf Deck.
    Daa’tan tobte wie ein Irrer, als er am nächsten Morgen von Sherzades unrühmlichem Ende erfuhr. Mit Nuntimor hackte er das halbe Vorderdeck kurz und klein. Selbst Grao konnte ihn nicht besänftigen und ließ ihn sich austoben. »Zuerst meine Mutter und jetzt Sherzade!«, heulte er schrill, um gleich darauf wieder wilde Wutschreie auszustoßen. »Das ist ungerecht. So ungerecht. Niemand darf mir all das wegnehmen, was ich gern habe!«
    Daa’tan ging tatsächlich daran, auch noch den Rest des Bootes mit dem Schwert zu bearbeiten. Der Daa’mure sah keine andere Möglichkeit, als blitzschnell hinter den Jungen zu treten und ihn mit einem Griff ins Genick zu betäuben. Daa’tan sank bewusstlos in seinen Armen zusammen.
    »Tut mir Leid«, murmelte der Gestaltwandler. »Aber es ist besser so.« Er spürte Bedauern über das, was er hatte tun müssen – und ertappte sich dabei, dass er auch dieses Gefühl genoss. Früher hätte er nicht einmal im Ansatz geglaubt, dass seine Rasse zu Emotionen fähig war.
    Doch diese seltsame, völlig überflüssige Laune der Natur, die zielgerichtetes Weiterkommen hemmte oder sogar ganz verhinderte, schien ein Bestandteil seines echsenhaften Wirtskörpers zu sein, den die Daa’muren geschaffen hatten, verankert in dessen Gehirn. Der tägliche Umgang mit Menschen schien diese mentale Ausprägung immer weiter an die Oberfläche zu holen, ohne dass Grao’sil’aana dies steuern konnte.
    Aber das wollte er ja auch gar nicht. Diese neu erwachten Gefühle zu erleben, war wie das Entdecken einer neuen Welt. Aufregend. Verwirrend. Und gefährlich?
    Vielleicht…
    ***
    Hethitisches Großreich Chatti
    Ägypten, 1297 v. Chr., 3. Monat der Überschwemmungszeit bis 1. Monat der Erntezeit
    Nefertari stand nackt vor einem kostbaren Spiegel, der das Badezimmer ihrer Gemächer zierte, und schminkte sich. Da sie sich für den Kronprinzen schön machte, legte sie lieber selbst Hand an und ließ die Dienerinnen außen vor. Die schöne Prinzessin färbte ihren Mund und ihre Wangen orangerot und zog dann ihre Augenform mit Schminke so geschickt nach, dass sie sich länglich wie der Himmelsbogen rundete. Ramses mochte das, sie hatte es herausgefunden.
    Doch in Wahrheit war es nicht Nefertari, die sich für den künftigen Herrscher herrichtete.
    In Wahrheit lebte ein anderer Geist in diesem makellosen Körper – seit er damals aus der Hethiterprinzessin Puduchepa aus- und in das neugeborene Kind eingefahren war.
    In Wahrheit stand eine hydritische Geistwanderin namens E’fah in menschlicher Hülle vor dem Spiegel: der Geist eines Wesens, dessen Volk seit Urzeiten in den Meeren lebte und die Menschen beobachtete.
    Dass die Hydritin in Gestalt Puduchepas überhaupt am Hof des Pharao gelebt hatte, war einem dramatischen Zufall zu verdanken: Sie hatte einst ihre Schwester Schamascha besucht, die im Harem des Herrschers von Mitanni lebte, einem Volk in Syrien, das mit den Hethitern verbündet war. Just als sie in der Hauptstadt Mitannis weilte, war diese von einem ägyptischen Heer überfallen worden und Puduchepa als Prinzessin in Sethos’ Harem gewandert. Für E’fah ein Glücksfall.
    Da sie als Nebenfrau aber keinerlei Chancen auf die Macht besaß, hatte sie beschlossen, Puduchepas Körper zu verlassen und eine ägyptische Prinzessin

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