219 - Kaiserdämmerung
erklärt! Und nach langer Beratung wurde ich zum neuen Herrscher über Wimereux-à-l’Hauteur gewählt! Nur so können wir das Unheil von Stadt und Land abwenden!«
Jubelgeschrei brauste ihm entgegen. »Vive Pierre de Fouché!« Keiner beachtete mehr die verdutzten Gesichter der Minister, die wie versteinert auf dem Podest verharrten. Keiner die eintreffenden Frauen und Kinder des Kaisers. Alle Augen waren auf den neuen Befehlshaber von Wimereux gerichtet, der die Gefangenen in die Roziere pferchen ließ.
***
Victorius kauerte neben Rulfan und Lay in der Rozieren-Gondel. Zornig lauschte er den Worten des Kriegsministers. Am liebsten hätte er ihm auf der Stelle die Zunge heraus geschnitten. Mehr als einmal musste Rulfan ihn zurückhalten. »Wenn du das Leben deines Bruders und das der anderen Gefangenen retten willst, musst du dich an unseren Plan halten!«, ermahnte er ihn leise.
Victorius biss die Zähne zusammen. Er begegnete dem grimmigen Blick des gefesselten Piloten aus der gegenüberliegenden Nische. Sie hatten ihn in den frühen Morgenstunden überwältigt und zum Sprechen gebracht: Die Gefangenen sollten in der Roziere an die Aufständischen ausgeliefert werden. Das war der Plan de Fouchés. Und daran orientierte sich ihr eigener Plan. Zu diesem gehörte, dass Victorius jetzt die Jacke und Mütze des Piloten trug.
»Sie kommen!«, flüsterte Rulfan und zog sich zu Lay in die Nische neben der Einstiegsluke zurück. Victorius presste seinen Rücken an die Wand. Der erste Gardist betrat die Roziere. Hinter ihm wurden die gefangenen Frauen durch die Luke gestoßen. Schwer atmend blieben sie auf dem Boden liegen. Ein weiterer Uniformierter folgte. Er zerrte Prinz Akfat hinter sich her.
Kaum war dieser im Luftschiff, surrte einer von Lays Blasrohr-Pfeilen in Richtung des ersten Gardisten und landete zielgenau in seinem Hals. Das starke Betäubungsmittel streckte ihn augenblicklich nieder. Den anderen Gardisten übernahm Rulfan. Er versetzte ihn mit einem einzigen Schlag ins Genick ins Reich der Träume. Victorius blieb keine Zeit, seinen Halbbruder zu begrüßen. Er sprang aus der Luke und sah, wie de Fouché sich langsam näherte. Die Hochrufe der Leute wollten kein Ende nehmen und der Mistkerl genoss das Bad in der Menge. Nicht mehr lange, dachte Victorius und lief ihm mit ausgestreckten Armen entgegen.
Jetzt hatte de Fouché ihn entdeckt. Ein missmutiger Ausdruck huschte über sein Gesicht. Scheinbar passte es ihm nicht, dass ein einfacher Pilot ihn umarmen wollte.
Umso mehr gefiel es Victorius: Er legte einen Arm um den Nacken des verhassten Mannes und zog ihn an sich heran. Dabei drückte er ihm die Spitze seines Messers schmerzhaft zwischen die Rippen. »Willkommen in deinem schlimmsten Albtraum!«, begrüßte er de Fouché. »Wenn du nicht an Ort und Stelle sterben willst, kehrst du jetzt mit mir zum Podest zurück. Hast du verstanden?«
Der Kriegsminister starrte ihn fassungslos an. Kein Wort kam über seine Lippen, aber sein Körper bebte vor Wut. Victorius zwang ihn mit sanfter Gewalt, sich umzuwenden. Verborgen unter dessen Cape, zielte das Messer auf sein Rückgrat. Jetzt verließ auch Rulfan die Roziere und schloss sich, begleitet von Chira, den beiden an. Als de Fouché die Dokumentenmappe in der Hand des Albinos erblickte, entgleisten seine Gesichtszüge vollends.
Gemeinsam bahnten sich die Gefährten einen Weg durch die Menge. Nach und nach verstummten die Hochrufe. Irritiert blickten die Menschen von dem weißhäutigen Hünen zu der schwarzen Lupa. Fragen wurden laut. »Was ist jetzt los?« – »Wer ist der Fremde?« – »Wo will de Fouché hin?«
»Euer neuer Herrscher hat euch noch etwas zu sagen!«, beruhigte Victorius die Leute.
Zunächst gaben sie sich damit zufrieden. Auch die Gardisten hielten still. Offenbar glaubten sie, ihr Anführer habe seine Pläne geändert. Erst als das Trio das Podest erreicht hatte, sprang ein hoch gewachsener Mann in dunkler Uniform mit Zopffrisur aus der Menge. »Ergreift sie!«, rief er den Gardisten zu und stürzte sich auf die Mappe in Rulfans Hand. Als der nicht loslassen wollte, zog er seinen Säbel.
Victorius verlor die beiden einen Moment lang aus den Augen. Er wurde von herbeieilenden Gardisten an das Podest gedrängt. Dabei hielt er seinen Gefangenen zwischen sich und den Angreifern. Die Messerklinge blitzte jetzt ganz offen an de Fouchés Kehle. »Töte ihn, Rechilje!«, hörte er den Kriegsminister schreien.
Als die Kämpfenden wieder
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