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219 - Kaiserdämmerung

219 - Kaiserdämmerung

Titel: 219 - Kaiserdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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davon.
    Nur wenige Minuten nach ihrem Verschwinden öffneten sich die Flügeltüren des Palais la femme. Angeführt von bewaffneten Gardisten strömte eine traurige Prozession von Kaiserfrauen mit ihren Kindern nach draußen. Schweigend folgten sie den Wächtern durch den Park in Richtung Chaussee.
    Zur gleichen Zeit ertönten auf dem großen Marktplatz Fanfaren. Die Buden und Stände waren beiseite geräumt, und seit den frühen Morgenstunden standen ein hölzernes Podest und eine Roziere bereit. Während die Fanfaren geschmettert wurden, liefen aus jeder Gasse, aus jedem Haus und aus jedem Winkel der Stadt die Bewohner zusammen. Annähernd sechshundert Menschen fanden sich ein. Darunter zwanzig versprengte Mitglieder der Kinder der Nacht und dreißig Verbündete, die Doktor Aksela für einen Widerstand gewinnen konnte.
    Doch statt der Ärztin blickte der Kriegsminister vom Podest. Vor ihm lagen ein halbes Dutzend Leichen aufgebahrt. Zwar waren die Körper der Toten mit Tüchern verhüllt, aber die Anhänger Akselas konnten sich denken, wer darunter lag. Ihre Sache schien endgültig verloren! Verstohlen verbargen sie ihre mitgebrachten Knüppel und Messer und ergaben sich dem Schicksal.
    Als fast ganz Wimereux-à-l ’ Hauteur versammelt war, trafen die Minister der Stadt ein und gesellten sich an die Seite de Fouchés. Der trat nun an den Rand des hölzernen Aufbaus und beschuldigte Prinz Akfat als Verräter. »In seiner kurzen Regierungszeit hat der Prinz nicht nur das Volk geknechtet, sondern darüber hinaus gemeinsame Sache mit den Anarchisten und Mördern gemacht, die sich die Kinder der Nacht nennen!«, rief er.
    Ungläubiges Raunen erhob sich. Auf ein Zeichen de Fouchés hin riss der Polizeioffizier die Tücher von den Aufgebahrten herunter. Er packte einen der Toten beim Schopf und hielt sein Gesicht der Menge entgegen.
    »Das ist ihr Anführer Zordan! Wir haben ihn und den Prinzen vor zwei Nächten bei einer konspirativen Sitzung gemeinsam mit ihren Handlangern überrascht!«, erklärte der Kriegsminister und ließ die Gefangenen auf das Podest bringen. Prinz Akfat, die Leibwächterin und Doktor Aksela wankten mit gesenkten Köpfen nach vorne. Ihre Kleider waren zerfetzt und die Haut ihrer Arme und Beine zerschunden. Es wurde totenstill auf dem Platz. Der Kriegsminister beteuerte, dass auch er sprachlos gewesen sei, als er erkennen musste, wer dieser Mörderbande angehörte. »Auch jene, die bei der Verhaftung zugegen waren, wollten es kaum glauben«, sagte er und zeigte auf Lococ und den Außenminister. »Diese braven Männer, die ihr alle kennt, sind meine Zeugen!«
    Die beiden Angesprochenen nickten eifrig.
    Daraufhin erhoben sich wütende Rufe aus der Menge. Sie richteten sich gegen den Prinzen und seine vermeintlichen Handlanger. Noch lauter wurde es, nachdem der Kriegsminister dem Volk die Leichen von zwei Gardisten, einem Schreiner, einer alten Frau und eines Kindes gezeigt hatte. »Sie alle sind unschuldige Opfer von Prinz Akfat!«, rief er mit anklagender Stimme. Jetzt tobten die meisten der knapp sechshundert Menschen. »Verurteilt diesen Mörder!«, schrien und grölten sie. Nur die Verbündeten Akselas schwiegen. Ängstlich und hilflos beobachteten sie die brodelnde Meute.
    De Fouché hob die Arme. »Leider ist das noch nicht alles!«, verkündete er fast bedauernd. »Der Prinz hat Soldaten bestochen und Söldner gekauft, um der Bevölkerung rund um den Victoriasee den letzten Jeandor aus den Rippen zu prügeln! Eine große Menge aufgebrachter Dörfler und Stammesführer warten unter unserer Stadt. Sie fordern Akfats Kopf! Sie wollen Wimereux angreifen, wenn wir ihnen nicht den Prinzen und dessen Gefolgsleute ausliefern!«
    Ein kollektives Seufzen heulte über den Platz. Angst und Empörung machten sich breit. Die sechzig Gardisten, die zwischen Podest und der Menge standen, hatten alle Hände voll zu tun, die Leute zurückzudrängen. Einem Dutzend aufgebrachter Männer gelang es trotzdem, durch die Absperrung zu brechen. Sie wollten sich Akfat holen, um ihn über den Rand der Stadt zu werfen.
    Es war de Fouché, der Schlimmeres verhinderte. Er stellte sich schützend vor den Prinzen. »Wartet!«, rief er. »Wartet!« Erst als die Männer sich unter Protest zurückgezogen hatten und der Lärm verebbt war, fuhr er fort: »Was wir jetzt brauchen, ist Umsicht und einen starken Befehlshaber! Mit dem Kaiser ist nicht mehr zu rechnen. Nach nunmehr zwei Monaten haben eure Minister ihn als verschollen

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