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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gewälzt!“
    Da sprang der Oberleutnant auf, ging, obgleich er noch kurze Zeit vorher solche Schmerzen gehabt hatte, schnell zu ihm hin und fuhr ihn an:
    „Mensch, so spricht man nicht mit mir! Wagst du das noch einmal, so antworte ich mit der Peitsche!“
    Da richtete sich ‚das Kind‘ in seiner ganzen Länge, ihn weit über Kopfeshöhe überragend, vor ihm auf und sagte:
    „Denk an den Muhassil! Was hat seine Peitsche ihm gebracht? Mehr sage ich dir nicht!“
    Wer hätte diesem Tifl wohl ein so männliches Verhalten zugetraut! Seine Kinderzüge hatten einen so ernsten, so strengen Ausdruck angenommen, daß der Ausbruch von Tätlichkeit nun unvermeidlich zu sein schien. Da aber ertönte die Stimme des Wächters, welcher von seiner Warte herunterrief:
    „Ich sehe zwei Reiter!“
    „Wo?“ fragte der Offizier, der sogleich seine ganze Aufmerksamkeit von Tifl weg nach oben richtete.
    „Ganz draußen.“
    „Wie weit?“
    „So weit, daß sie nur wie kleine Punkte sind.“
    „Welche Richtung haben sie?“
    „Das sieht man nicht sogleich. Warte!“
    Man kann sich denken, daß nun eine allgemeine Spannung eintrat. Es vergingen mehrere Minuten, bis der Mann dann meldete:
    „Sie nähern sich, aber nicht gerade.“
    „Wie denn?“
    „Sie sind jetzt schon viel weiter südlich als vorher.“
    „Da scheuen sie sich vor den beiden Pässen. Sie werden den Suari juzbaschysy gesehen haben, der sie mit seiner Schar zurückgetrieben hat. Paß auf, ob wohl noch andere Reiter kommen!“
    „Sie sind schon da!“
    „Wo?“
    „Im Norden, hinter ihnen, aber sehr weit zurück.“
    „Dann ist es so, wie ich sage. Der Suari juzbaschysy hat sie dort im Norden nicht durchgelassen. Sie sind umgekehrt, und er folgt ihnen. Sie kommen nicht hierher; sie hegen Verdacht. Sie versuchen, einen Ausweg nach Süden zu finden. Den muß ich ihnen verlegen. Zehn Mann mit mir auf die Pferde! Schnell, vorwärts! Wir treiben sie hinterher. Die anderen zehn bleiben hier, um sie zu empfangen und diese beiden Gefangenen zu bewachen!“
    Einige Augenblicke später jagte er mit der Hälfte seiner Leute davon. Daß die, welche er seine ‚Gefangenen‘ nannte, an Flucht denken könnten, das schien ihm gar nicht in den Sinn gekommen zu sein. Die Zurückbleibenden waren nicht weniger unbesorgt. Sie eilten zu dem Wächter hinauf, um von dort aus die Jagd besser sehen zu können. Sogar der Soldat, von welchem sich die Stute in so unzeremonieller Weise ‚getrennt‘ hatte, krabbelte den anderen langsam nach, um sich den Genuß, den sie dort oben suchten, ja nicht entgehen zu lassen. So waren also Kara und Tifl allein miteinander unten geblieben. Hatten sie sich schon vorher nicht als Gefangene betrachtet, so konnte es ihnen jetzt erst recht nicht einfallen, dies zu tun.
    Tifl war sehr ernst. Er hatte sich im höchsten Grad lobenswert benommen. War er etwa, wie so mancher Mensch von sich behauptet, aus zwei verschiedenen Naturen zusammengesetzt? Oder besaß er die Eigenheit, sich dem über ihn genährtem Vorurteile gegenüber anders zu zeigen, als er eigentlich war? Er kletterte auf einen der nahen Felsen, schaute gen Osten und sagte dann:
    „Sie sind es. Du hast alles gehört, o Kara Ben Hadschi Halef. Sag mir, was du zu tun gedenkst!“
    „Wir müssen ihnen helfen“, antwortete der Haddedihn.
    „Ja, das müssen wir!“
    „Wie denkst du dir das? Den Mülazim mit seinen Leuten fürchte ich nicht; aber am Paß des Kuriers steht eine zweite Schar, und da draußen kommt der Suari juzbaschysy mit der seinigen geritten. Wir haben keine Angst; aber der feigste Mensch kann, wenn er ein Gewehr besitzt, den tapfersten, der wehrlos ist, mit seiner Kugel oder Lanze töten; ohne selbst nur die geringste Gefahr zu laufen. Wir müssen uns also fern von diesen ihren Waffen halten. Was siehst du jetzt?“
    „Die Pferde der Flüchtlinge sind schlecht. Nicht lange, so werden sie eingeholt sein.“
    „Sie mögen sie stehen lassen. Wir geben ihnen Barkh und Assil dafür. Wie gut, daß ich diese mithabe! Ist das dir so recht?“
    „Oh, wie so recht! Chodeh segne dich, o Kara Ben Hadschi Halef! Es ist die höchste Zeit!“
    „So komm!“
    Tifl kam vom Felsen herab. Beide stiegen in die Sättel und ritten dann in die Steppe hinaus. Als die Soldaten sie sahen, erhoben sie zwar ein lautes Geschrei, konnten aber damit nichts an der Tatsache ändern, daß ein Vorteil, den man nicht festzuhalten versteht, stets nur zum Nachteil wird. Kara und Tifl galoppierten.
    Weil sie

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