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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fühlen.“
    Hierbei erinnerte er sich, daß über ihn gelacht worden war.
    „Sellab!“ rief er.
    Der Genannte trat zu ihm.
    „Ihr habt gelacht. Du am meisten. Hinauf auf diesen Hengst, der den Scheïtan im Leib zu haben scheint! Das sei deine Strafe. Wehe dir, wenn du auch herunter mußt!“
    Der Mann gehorchte. Er kam ganz gut hinauf und wollte sich eben festsetzen, da saß er aber auch schon wieder unten. Der Oberleutnant gebot einem anderen Soldaten, den Versuch zu machen; den ließ aber Barkh gar nicht heran. Er hatte die Geduld verloren und schlug nach ihm aus.
    „Eine Bestie!“ konstatierte der Offizier. „Sind die anderen ebenso?“ fragte er Kara.
    „Das mußt du doch wissen!“ antwortete dieser.
    „Ich? Wieso?“
    „Es sind ja ‚deine‘ Pferde! Das sagtest du!“
    Der Zurechtgewiesene senkte den Kopf. Er dachte nach. Dann sagte er:
    „Der Stute ist am meisten zu trauen. Wer will es mit ihr versuchen?“
    Ein Mutiger näherte sich und begann damit, daß er sie vorsichtig liebkoste. Sie tat, als ob er gar nicht vorhanden sei. Kara kannte sie noch nicht und warf deshalb einen forschenden Blick auf Tifl. Dieser machte ein Auge zu und blinzelte ihn mit dem anderen lustig an. Das war genug gesagt.
    Der Soldat klopfte die Stute an verschiedenen Stellen. Sie bewegte nicht einmal die Spitze eines Ohres. Grad diese wartende, lauschende Unbeweglichkeit hätte ihm verdächtig vorkommen müssen; er aber gewann im Gegenteil durch sie den Mut, erst einen Vorder- und dann einen Hinterfuß der ‚Sahm‘ aufzuheben, um die Hufe zu betrachten. Sie ließ auch das ruhig geschehen. Das machte ihn sicher. Er stieg auf. Auch jetzt noch stand sie still; aber sie wandte den Kopf, um ihr Auge auf ‚das Kind‘ zu richten. Kara war höchst gespannt, welche ‚Mucke‘ man zu sehen bekommen werde. Der Offizier aber freute sich des scheinbar guten Erfolges. Er sagte:
    „Es ist also doch wohl nur dieser Rappe, dem man nicht trauen darf. Reite aber doch einmal vom Fleck!“
    Der Soldat wollte gehorchen, aber damit war für die ‚Sahm‘ die Zeit gekommen. Sie tat nicht etwa einen Sprung, o nein. Sondern sie fiel einfach um, blitzschnell, als ob ein Schlag sie getroffen hätte, wälzte sich zwei-, dreimal auf dem Reiter hin und her, sprang auf der anderen Seite wieder auf und stand dann so ruhig und sanftäugig wieder da, als ob sie ganz außerstande sei, auch nur das kleinste Wässerlein zu trüben.
    Für Reiter, welche stürzen, lautet im Abendland der schonende Spottausdruck: „Er hat sich vom Pferd getrennt.“ Hier aber hätte man berichten müssen: „Madame Sahm hat sich vom Reiter getrennt.“ Dieser Letztere blieb zunächst ein ganzes Weilchen vollständig still neben der nun harmlos mit dem Schwanz wedelnden Stute liegen. Dann begann er, sich mit den tastenden Händen in der Weise über sämtliche Teile seines Körpers zu fahren, wie man es bei Stubenfliegen beobachtet, wenn sie mit den Beinen die anhaftenden Lebestäubchen und Ansteckungsstoffe vom Leibe zusammenstreichen, um sie zum Heile der Menschen zu verzehren. Sein Gesicht war während dieser anatomischen Untersuchung ein nichts weniger als fröhliches. Als er zu der Überzeugung gekommen war, daß er trotz der dreifachen Umwälzung noch alles wohl beisammen habe, kam er zu dem Entschluß, erhebend auf sich einzuwirken. Er richtete sich vorläufig nach löblicher Quadrupedenart auf Hände und Füße auf, schaute sich nach allen Seiten prüfend um, ob nicht vielleicht ein doch abhanden gekommenes Glied zu sehen sei, und ging endlich sehr langsam und höchst vorsichtig in jene aufrechte Stellung über, in welche selbst ein abgeworfener Reiter schließlich doch zurückzukommen strebt. Hierauf wankte er wie ein ängstlicher Quartaner, der zum erstenmal Schlittschuh fahren soll, vom Schauplatze der erlittenen ‚Trennung‘ weg und verschwand hinter einem Felsenstück, um sich da, fern von der verständnislosen Menschheit anzusiedeln. Es darf nämlich nicht verschwiegen werden, daß diese seine schmerzliche Auferstehung leider von seinen Kameraden mit lautem Gelächter begleitet wurde. Selbst der Offizier stimmte zunächst mit ein; dann aber fragte er ‚das Kind‘ in zornigem Tone:
    „Du saßest, als ihr kamt, auf diesem Pferd. Ist es dein?“
    „Nein“, antwortete Tifl.
    „Wem gehört es?“
    „Dem Ustad.“
    „Wußtest du, daß es sich wälzt?“
    „Ja.“
    „Auf welches Zeichen hin tut es das?“
    „Frag das Pferd, nicht mich! Ich habe mich nicht

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