22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
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„Er hat mich verstanden!“ jubelte Tifl. „Aber, schau, was ist's mit seinen Pferden?“
Diese Frage war sehr gerechtfertigt, denn die Schnelligkeit der Verfolgten begann jetzt plötzlich, sich zu vermindern. Ihre Pferde konnten nicht mehr weiter. Sie fielen aus der bisherigen Karriere zunächst in einen kurzen, stoßweise noch erzwungenen Galopp; dann hielt mitten in demselben das eine an, tat noch einige wankende Schritte vorwärts und brach hierauf, vollständig erschöpft, zusammen. Es war dasjenige, welches die Frau des Scheiks ritt. Sie besaß Gewandtheit genug, während des Sturzes abzuspringen, so daß sie nicht mit zu Fall kam. Sie ließ das Tier liegen und lief, so schnell sie konnte, weiter. Da stand auch das andere still, Hafis Aram glitt aus dem Sattel, faßte sein Weib, als es ihn erreichte, bei der Hand und zog es in eiligstem Laufe mit sich fort.
Während dies geschah, hatte sich der Abstand zwischen den verschiedenen Parteien so verringert, daß Kara und Tifl das jubelnde Geschrei der Verfolger hören konnten. Der Erstere maß mit scharfem Auge die verschiedenen Abstände; der Letztere besaß diese ruhige Kaltblütigkeit nicht.
„Das Geheimnis, das Geheimnis!“ rief er aus. „Wir kommen sonst zu spät!“
„Nein“, entgegnete Kara. „Vielleicht nachher, doch nicht jetzt! Wir kommen grad zur letzten, rechten Zeit!“
Er hatte ganz richtig geschätzt. Der ‚Oberleutnant‘ ritt von allen seinen Leuten das beste Pferd und befand sich infolgedessen dem Scheik am allernächsten. Seine Untergebenen waren wohl noch an die hundert Pferdelängen hinter ihm. Man hörte seine drohend brüllende Stimme. Dreihundert Längen jenseits, links von ihm, kam der ‚Rittmeister‘ herangestürmt. Da fragte Tifl, natürlich mitten im Jagen:
„Werden Assil und Barkh sich nicht weigern, den Scheik und seine Frau zu tragen?“
„Nein“, antwortete Kara. „Ich sage ihnen ein Wort; das genügt. Ich befürchte nichts. Nur der ‚Oberleutnant‘ kann uns stören.“
„Kümmere dich nur um die zu Rettenden, damit sie nicht zögern, aufzusitzen; ihn aber überlaß mir!“
„Getraust du dich an ihn?“
Da lachte ‚das Kind‘ laut auf und sagte:
„Getrauen? Hast du mich für feig gehalten? Paß auf! Gleich sind wir da.“
In diesem Augenblick blieben die Flüchtlinge stehen; sie waren außer Atem. Aber sie erkannten Tifl, sahen zwei ledige Pferde und sandten den Rettern freudige Rufe entgegen. Diese sausten heran. Kara zügelte seinen Ghalib und hielt mit ihm und den beiden Rappen vor Hafis Aram an.
„Steig schnell auf!“ sagte er, indem er absprang, um die Hengste zu halten.
„Das ist edles Blut!“ sagte der Scheik. „Werfen sie uns nicht ab?“
„Nein. Nur schnell hinauf! Ich halte sie!“
Es geschah das viel schneller, als man erzählen kann. Hafis Aram hob erst seine Frau empor und schwang dann sich selbst hinauf. Dabei entging ihnen das Zeichen, welches Kara den beiden Pferden gab. Sie wußten nun, daß sie zu gehorchen hatten.
Indessen war Tifl eine kleine Strecke weitergeritten, dem ‚Oberleutnant‘ entgegen. Da holte er nach rechts aus, ließ seine ‚Sahm‘ einen kurzen Bogen gehen, der ihn im Zurückkehren wieder herüber und an die Seite des Offiziers führte, welcher Kara wütend zubrüllte, sich nicht an den Flüchtlingen zu vergreifen. Er achtete nur auf diese, nicht auf Tifl, der bald so eng neben ihm ritt, daß die beiden Pferde sich berührten. Nun erst nahm er Notiz von ihm.
„Was willst du, Hund? Fort mit dir!“ schrie er ihn an. „Fort, fort!“ Dabei erhob er die Faust, um nach Tifl zu schlagen.
„Nein, nicht fort!“ antwortete dieser. „Ich mache dir meinen Besuch.“
Er hob den einen Fuß auf den Rücken der Stute und schnellte sich von ihr zu dem Offizier hinüber, so daß er hinter diesem zu sitzen kam. Dann schlang er die langen Arme um ihn, legte die Beine fest an den Leib des Pferdes und rief aus:
„Ich tue dir nichts. Ich will nur sehen, wie es mit eurem Atem steht. Paß auf!“
Er drückte den Soldaten so an sich, daß diesem die Luft verging, und preßte die Weichen des Pferdes in der Weise zusammen, daß es im Galopp unterbrochen und nach einigen langsamen Schritten gezwungen wurde, stillzustehen. Er hielt gerade da an; wo der Scheik soeben mit seinem Weib auf die Rappen gestiegen war. Da sah man den ‚Rittmeister‘ gejagt kommen , in jeder Hand eine gespannte Pistole haltend.
„Fort! Schnell!“ gebot Kara. „Er schießt;
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