22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
wir aber haben keine Waffen.“
Er galoppierte mit den beiden Geretteten davon, in der Richtung zurück, aus welcher er gekommen war. Tifl ließ sein nach Atem schnappendes Opfer los, sprang herab und hinüber zur ‚Sahm‘, welche ganz in der Nähe stehen geblieben war. Er schwang sich auf.
„Halt! Bleib!“ schrie der nun nahegekommene ‚Rittmeister‘. „Ich fange dich!“
„Tue das!“ antwortete der Angerufene.
„Ich schieße!“
„Das kannst du, aber treffen nicht!“
Um so wenig wie möglich Ziel zu bieten, bog den den Oberkörper tief an den Hals des Pferdes herab, welchem er mit einem Schnalzen der Zunge das Zeichen zum schnellsten Lauf gab. Es gehorchte. Da krachten hinter ihm zwei Schüsse, aber keiner von ihnen traf. Die Kavalleristen, welche ihre Offiziere nun einholten, schickten ein vielstimmiges Geschrei hinter ihm her.
„Das hätte meine gut Pekala sehen sollen!“ lachte er in sich hinein. „Wie würde sie sich freuen!“
Nun keine Kugel mehr zu fürchten war, richtete er sich wieder auf. Er fühlte sich sicher, wenigstens für jetzt, denn von den Soldatenpferden eingeholt zu werden, davon konnte ja nicht die Rede sein.
Nach einiger Zeit schaute Kara sich um. Er sah, daß die beiden Kavalleristengruppen beisammen hielten. Ihre Offiziere schienen sich zu beraten. Da parierte auch er seinem Ghalib, um Tifl vollends herankommen zu lassen. Der Scheik hatte bis jetzt nichts weiter als vorhin seine ersten Worte gesagt. Er wollte jetzt sprechen, wahrscheinlich von seiner Dankbarkeit. Da aber sagte der junge Haddedihn zu ihm:
„Jetzt keine Worte, o Scheik der Kalhuran! Wir haben uns zunächst zu –“
„Wie? Du kennst mich?“ unterbrach ihn dieser doch.
„Ja.“
„Sag, wer du bist! Ich kenne dich nicht.“
„Ich bin Kara Ben Hadschi Halef Omar, ein Haddedihn vom Stamm der Schammar.“
„Hadschi Halef Omar? Ist dieser dein Vater Hadschi Halef Omar etwa der Scheik eures Stammes?“
„Ja.“
„Maschallah, und doch auch nicht Maschallah! Es ist ein Wunder, aber dennoch keines! Ein Wunder Allahs ist es, daß wir errettet worden sind, grad als die Gefahr für uns am größten war. Und wiederum ist diese Rettung kein Wunder zu nennen, weil sie durch den Sohn eines Mannes geschah, dessen Leben aus einer ununterbrochenen Reihe solcher Ereignisse besteht. Du scheinst der Erbe seiner Taten zu sein!“
Jetzt war Tifl herangekommen. Auch er schaute sich um. Als er sah, daß die Soldaten halten geblieben waren, sagte er zu dem Scheik:
„Frage jetzt nicht. Wir haben keine Zeit. Wir wissen, was geschehen ist. Deine Feinde haben es uns erzählt. Auch wir müssen beraten. Laßt uns aber dabei weiterreiten!“
Als sie ihre Pferde wieder in Bewegung gesetzt hatten, ergriff der Scheik abermals das Wort:
„Ich will also von dem Vergangenen noch schweigen; aber über das, was vor uns liegt, darf ich doch sprechen. Reiten wir durch den Paß des Hasen?“
„Nein“, antwortete Kara.
„Warum nicht?“
„Weil dort zehn bewaffnete Soldaten stehen. Der größte Mut ist ohnmächtig, wenn er keine Waffen hat.“
„So müssen wir nach dem Passe des Kuriers hinüber.“
„Der ist mit noch mehr Leuten besetzt.“
„Wißt ihr das genau?“
„Ja.“
„So bleibt uns nur der Versuch, nach rechts oder links durchzubrechen. Ich habe das schon versucht, doch meine Pferde hielten es nicht aus.“
„Mit diesen hier wird es vielleicht gelingen“, meinte Kara.
„Nein“, sagte Tifl.
„Warum nicht?“
„Sieh hinter dich!“
Als Kara dieser Aufforderung folgte und sich umschaute, sah er, daß die Perser einen Entschluß gefaßt hatten. Sie unterließen es, den Flüchtlingen zu folgen. Sie hatten sich wieder in zwei Abteilungen getrennt, welche im Galopp die Richtung nach den beiden Pässen einschlugen.
„Sie trachten danach, uns die beiden einzigen Wege zu den Dschamikun zu verlegen“, sagte der Scheik.
„Aber sie werden uns dabei nicht aus den Augen lassen“, fügte Kara hinzu. „Wollen wir nach rechts oder links, so sind sie gewiß schnell da. Ich möchte ihre Kugeln mehr wegen unserer Pferde als wegen uns selbst vermeiden. Soll ich daheim die Schande erleben, erzählen zu müssen, daß so edles, unersetzliches Blut durch das Blei solcher Leute zu Grunde gehen mußte?“
„So weiß ich keinen Rat!“
„Aber ich!“ erklärte Tifl.
„Welchen?“
„Wir können zwischen den Pässen hinüberkommen!“
„Hamdullillah!“ rief da der Scheik erfreut aus. „Gibt es denn
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