22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
galoppierten, den Paß verlassend, in nördlicher Richtung längs des Höhenzuges dahin.
„Sie wollen melden, daß wir entkommen sind“, sagte der Scheik.
„Ja, entkommen!“ fügte seine Frau hinzu, indem sie tief und erleichtert Atem holte. „Chodeh sei Dank! Erst jetzt können wir in Wahrheit sagen, daß wir gerettet sind. O Tifl, Tifl, wie danke ich dir!“
Da zeigte ‚das Kind‘ die allerverlegenste seiner Mienen und antwortete, auf den Haddedihn deutend:
„Nicht mir gebührt der Dank, sondern diesem klugen Kara Ben Hadschi Halef Omar. Hätte er nicht zwei ledige Pferde mitgenommen, so wäre es uns unmöglich gewesen, euch zwischen den Reitern herauszuholen.“
Da reichte der Scheik Kara seine Hand und sprach:
„Verzeihe mir, daß ich jetzt keine lange Rede des Dankes halte. Ich bin sehr müde und möchte bald verbunden werden. Ich werde dich und diese drei herrlichen Tiere, so lange ich lebe, nicht vergessen. Nur mit solchen Pferden konnten wir gerettet werden! Dein Dunkelbrauner ist köstlich. Wem aber gehören die beiden anderen?“
Da kam Tifl dem Haddedihn, welcher antworten wollte, schnell zuvor:
„Versuche, es zu erraten, o Scheik der Kalhuran.“
„Sollten diese Rappen zu dem Braunen gehören?“ fragte dieser.
„Weiter!“
„Es gab einen schwarzen Hengst der Haddedihn, der von keinem anderen Pferd jemals besiegt worden ist. Er hieß Rih und wurde von Kara Ben Nemsi geritten, so oft dieser bei Hadschi Halef Omar war.“
„So schau den Rappen an, auf welchem die Gebieterin deines Zeltes sitzt! Er heißt Assil Ben Rih.“
„So ist er Rihs Sohn? Maschallah! Und der andere Hengst? Der mich jetzt trägt?“
„Sein Name ist Barkh. Er hat den berühmten Scheik der Haddedihn zu uns gebracht.“
„Was höre ich! Hadschi Halef Omar ist bei euch?“
„Ja.“
„Aber zwei Rappen! Wer reitet den anderen?“
„Denke nach!“
„Sollte – sollte Kara Ben Nemsi wieder einmal bei seinem Freund sein?“
„Ja, auch der ist da. Und noch jemand ist da! Du wirst sie alle sehen. Wir wollen nicht hier erzählen, denn wir müssen uns nun beeilen, wenn wir heimkommen wollen, bevor es ganz dunkel wird.“
Es ging zunächst in nicht zu schnellem Gang über die tiefsandige Ebene hinüber. Hierbei verstand es sich ganz von selbst, daß zuweilen ein Blick zurückgeworfen wurde. Da waren noch verhältnismäßig kurze Zeit die Kavalleristen zu sehen, welche von den Posten am Paß benachrichtigt worden waren. Sie kamen hinterher. Kara behauptete das; der Scheik aber wollte es nicht glauben. So blieb man also für einige Augenblicke halten, um sie zu beobachten.
„Es ist ja ganz unmöglich, daß sie auf den Gedanken gekommen sind, uns noch weiter zu verfolgen!“ ließ sich Hafis Aram hören.
„Sie müssen doch eingesehen haben, daß sie uns auf ihren Gäulen nicht einholen können!“ fügte Kara hinzu.
„Es ist nicht bloß das. Aber sie dürfen sich doch nicht auf das Gebiet der Dschamikun wagen!“
„Ist ihnen das verboten?“
„Ja. Der Ustad hat vom Schah-in-Schah das Recht erwirkt, kein bewaffnetes Militär bei sich zu dulden. Diese Soldaten befinden sich aber nicht bloß schon auf seinem Gebiet, sondern ich sehe es nun allerdings auch ganz deutlich, daß sie hinter uns dreingeritten kommen. Sind sie etwa so verwegen, uns bis zu den Wohnungen der Dschamikun zu verfolgen? Fast scheint es so!“
„So ist also der Ustad hier alleiniger Herr?“
„Er gehorcht nur dem Beherrscher selbst. Das steht auf einem Pergament geschrieben und wurde von dem Schah-in-Schah eigenhändig unterzeichnet und besiegelt. Ich bin zwar seit heut der Blutrache verfallen, weil ich den Muhassil erschossen habe; aber auf das Gebiet der Dschamikun darf mir kein Rächer folgen. Hier gibt es ewigen Frieden, der höchstens einmal von den Verachteten und Ausgestoßenen gebrochen werden kann, die keinem Gesetz gehorchen. Wenn diese Soldaten uns folgen, ohne dort an den Bergen ihre Waffen abgelegt zu haben, hat der Ustad das Recht, sie alle, vom ersten bis zum letzten niederschießen zu lassen! Tifl, sag, was meinst du dazu?“
„Ich werde es gleich beim ersten Haus melden, damit in der kürzesten Zeit es alle wissen“, antwortete der Genannte. „So laßt uns also eilen! Vorher aber sollst du mir sagen, o Scheik der Kalhuran, ob ich mein Versprechen erfüllen werde. Ich habe im Namen meiner guten Pekala beteuert, daß wir zur rechten Zeit daheim sein werden.“
„Du hältst stets dein Wort, besonders aber
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