22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
wenn du es im Namen deiner Pekala gibst. So auch heut.“
„Ich danke dir. Nun kommt!“
Sobald der tiefe Sand dieser Ebene in grasigen Boden überging, konnten die Pferde weit ausgreifen. Es dauerte dann nur noch kurze Zeit, bis man den See erreichte und mit ihm das erste Haus, an welchem Tifl anhielt, um die von ihm erwähnte Meldung abzugeben. Der Bewohner desselben war, so zu sagen, auf dieser Seite der Pförtner des Duars und hatte den die Sicherheit desselben betreffenden Nachrichtendienst zu verwalten. Als dies besorgt war, stand es fest, daß die Soldaten, falls sie wirklich kämen, den ihnen für solche Fälle vorherbestimmten Empfang finden würden, und Tifl konnte nun mit den drei anderen direkt nach dem ‚hohen Haus‘ reiten. Allen denen, die ihnen begegneten, fiel der ganz unerwartete Besuch Hafis Arams und seines Weibes auf, zumal er in dieser ganz seltenen Weise und ohne die imponierende Kamelsänfte geschah, aber es gab keinen, der irgend ein Aufheben davon machte. Höchstens, daß hier oder da einer stehen blieb, um den Reitern verwundert, aber still nachzuschauen. Das Gemeindeleben war hier eben ein anderes, geordneteres und darum auch ruhigeres als in den Dörfern anderer Stämme. – – –
Das war es, was Kara während seines Rittes erlebt hatte. Er berichtete es mir später noch ausführlicher, als ich es hier erzählt habe. Dieser sogenannte Übungsritt war also noch viel mehr geworden, als er ursprünglich hätte werden sollen.
Was mich betrifft, so war mir während dieser Zeit nichts Besonderes begegnet. Mit der ‚festjungfräulichen‘ Köchin gab es ein kurzes Gespräch. Als sie bei ihrer Rückkehr aus dem Tal an mir vorübergehen wollte, nickte ich ihr freundlich zu. Dies veranlaßte sie, stehen zu bleiben. Sie machte die kleinen Äuglein zu, um besser nachdenken zu können, welchen Gegenstand des Gesprächs sie am liebsten wählen könne; dann schlug sie sie wieder auf und fragte mich, natürlich in türkischer Sprache:
„Effendi, kennst du Teheran?“
„Ja“, nickte ich.
„Hast du dort Hagad, den Aschtschy (Koch) gekannt?“
„Nein.“
„Das ist schade, denn er war mein Vater. Hast du aber Machub Suleiman Effendi gekannt, welcher Serif (Türkischer Gesandter, Botschafter) war?“
„Nein.“
„Auch das ist schade, denn er war der Herr meines Vaters. Beide kamen nach Teheran, der Serif, weil der Sultan ihn sandte, und mein Vater, um für ihn zu kochen. Meine Mutter war auch dabei, und als mein Vater ein Jahr lang für Machub Effendi gekocht hatte, wurde ich geboren.“
„So stammst du also nicht aus der Türkei, sondern aus Persien?“
„Ich stamme von meinem Vater und von meiner Mutter, und beide waren Osmanen. Ich habe als Kind meist türkisch mit ihnen gesprochen, und darum liebe ich heute diese meine Muttersprache sehr. Mein Vater kochte auch mit für meine Mutter, und da ich sein Liebling war, hat er mich alles gelehrt, was er konnte. Ich half ihm gern und überall, und als meine Mutter gestorben war, ließ er seinen Harem für immer leer, und ich blieb mit ihm allein. Als der Serif nach Stambul zurückkehrte, blieb mein Vater in Teheran, weil er Koch des Beherrschers wurde. Aber unsern Tifl kennst du wohl?“
„Natürlich! Das weißt du ja!“
„Er hieß damals anders; aber ich habe ihn stets Tifl genannt. Manche heißen ihn El Aradsch, weil er hinkt. Ich glaube, seinen früheren Namen hat er ganz vergessen. Er kam mit anderen Kindern der Dschamikun nach Teheran, um Reitknecht des Schah-in-Schah zu werden. Er wohnte also im Ark (Residenz), grad so wie ich, und wir wurden sehr bald und auch sehr gut miteinander bekannt, weil sein steter Hunger keinen Anfang und kein Ende hatte. Ich fütterte ihn und nannte ihn darum Tifl, das Kind. Alles, was er von mir bekam, schmeckte ihm köstlich, und weil dieses Wort in der türkischen Sprache pek ala heißt, so hat er mir den Namen Pekala gegeben. Daher kommt es, daß wir beide noch heute von jedermann Pekala und Tifl genannt werden. Mein Tifl war eigentlich nur für die Pferde geboren. Er wußte und wollte außer mir nichts anderes als sie. Und wie er sie liebte, so liebten sie ihn auch. Er war sehr klein, da tat es ihm kein anderer Seïs gleich. Darum waren seine Vorgesetzten außerordentlich mit ihm zufrieden. Aber das rührte ihn nicht; er achtete nur auf mich; ein Lob von mir war ihm lieber als tausend andere. Ich erzog ihn aber auch sehr sorgfältig und erziehe ihn noch heut! Ein Mann muß nämlich stets
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