22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
bedeckten, langen Weste, einer braunen Überjacke mit eng aneinanderstehenden Knöpfen, deren Brillantsteine doch ganz unmöglich echt sein konnten, und weit herabfallenden, orientalischen Schlappärmeln, kostbar rotseiden unterfüttert, und einer Lammfellmütze jener seltenen Art, welche von ungeborenen, lebendig aus der Mutter geschnittenen Lämmern stammt. Sie hatte vorn eine Agraffe, deren Diamant, wenn er nicht Bergkristall gewesen wäre, gewiß ein Fürstentum gekostet hätte. Waren die Tressen und Stickereien vielleicht auch nicht echt? Um das bestimmen zu können, mußte man sie genauer betrachten, als jetzt möglich war.
Dieser Mann hing fast ganz voller Waffen. Es gibt ja Charaktere, welche schon durch den Anblick einer so überschwenglichen Arminierung imponieren wollen. Ein gebogener Säbel und eine breite, federnde Tigerklinge an der Seite. Im strotzenden Gürtel ein Messer, einige Dolche und mehrere Pistolen. Querüber von der linken Schulter nach der rechten Hüfte ein gefüllter Patronengürtel. In der Hand eine fast übermäßig lange, orientalische Flinte mit rotgelb glänzendem Bronzelauf. Die Schäfte, Griffe und Scheiden dieser Waffen brillierten in blitzenden Facetten. Selbst der Handknauf der tief in das Fleisch schneidenden, stahlharten Krokodilhautpeitsche, welche zum handlichen Gebrauch neben dem Säbel hing, flimmerte blutigrot, als ob er aus lauter dunklen Rubinen zusammengesetzt sei.
Und nun die Person selbst:
Habe ich jemals einen schönen Mann gesehen, so war es dieser hier! Hoch und schlank gewachsen, doch stark und voll gebaut, ließ der edel geformte Körper ungewöhnliche Kraft und große Gewandtheit ahnen. Und dieser Kopf! Er kam mir bekannt vor. Ich besann mich. Ich hatte einmal ein Bild gesehen: Loki mit dem herrlichen Heimdall um Friggas Halsband kämpfend. Der Künstler hatte es verstanden, dem Kopf und den Zügen Lokis jene dämonisch verführende Schönheit zu geben, welche Seligkeit verspricht und doch aber nur Verderben gibt. Und nun ich diesen Ahriman Mirza vor mir stehen sah, war es mir, als ob er jenem Maler als Modell gesessen haben müsse. Ganz besonders deutlich war ihm die Überzeugung anzusehen, daß er ein schöner Mann sei, dem niemand widerstehen könne. Aber das ‚Licht‘ seiner Augen stand nicht gerade, sondern schief; das willensstarke Kinn zog das Lächeln des Mundes nieder, und die begehrlichen, zum Hohn geneigten Lippen waren voller und breiter, als sich mit dem übrigen Gesicht vertrug. Und seine Stimme! Kraftvoll und wohllautend, der feinsten Schattierung, der unwiderstehlichsten Überredung fähig. Aber plötzlich zischend scharf, schrill, widerlich rauh. Es war die Stimme eines Verführers unter zweien, aber auch eines grausamen Kommandanten unter vielen!
Als er stolz und hochaufgerichtet vor uns stand und aller Augen auf sich ruhen sah, zog er einen der Dolche aus dem Gürtel und steckte ihn vor sich in die Erde. Ich wußte sehr wohl, was das bedeutete, schnellte mich aber doch, der augenblicklichen Eingebung folgend, hin zu ihm und zog den Dolch wieder heraus, um ihn zu betrachten. Sofort riß er eine Pistole hervor und richtete sie auf mich. Der Hahn knackte.
„Du nimmst den Kampf auf?“ fragte er drohend.
„Nein“, antwortete ich.
Wir sahen einander in die Augen. Es war mir, als ob wir noch öfters so voreinander stehen würden. In den seinen lag der Haß sprungbereit. Mein Blick war kalt; er verriet mich nicht. Da ließ er die Waffe sinken, nahm die verächtlichste Miene an, die ich jemals gesehen habe, und sagte:
„Ich weiß, du bist jener Dschermane, der mit dem Scheik der Haddedihn im Orient spionieren geht! Aber du kennst ihn nicht. Du kennst nicht einmal seine bekanntesten Gebräuche. Wenn ein Feind zum Feind kommt, um mit ihm zu reden, so sticht er die Klinge seines Messers in die Erde, um anzudeuten, daß die Feindschaft ruht, so lange gesprochen wird. Dasselbe meinte auch ich. Du Unerfahrener hast mich nicht verstanden. Ich konnte dich niederschießen, wenn ich wollte. Ich habe dich aber begnadigt. Doch nicht auf lange Zeit. Sofort wieder in die Erde mit dem Chandschar (Dolch)! Sonst schieße ich!“
Ich bückte mich und steckte ihn genau an seine vorige Stelle. Ich hatte gesehen, wovon ich mich hatte überzeugen wollen. Dieser Dolch glich auf das Haar dem Chandschar, den ich in Amerika damals von Mirza Dschafar als Geschenk bekommen hatte.
Beide mußten unbedingt aus der Hand eines und desselben Waffenschmiedes
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