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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie da wohl prüfen? Ben Marryam in öder Felsenwüste, wo es nichts gibt, was ihn verführen könnte? Ben Marryam auf hoher Tempelzinne, wo ihn der Menschen Bosheit nicht berührt? Ben Marryam auf einsamer Bergesspitze, von welcher aus sie ihm wohl ihr Reich, doch er nicht ihr das seine zeigen kann? So töricht ist sie nicht! Aber sie wird alle ihre Teufel senden, um auf Erden nachzuschauen, ob sich irgendwo ein Mensch befindet, der nicht mit den anderen Schäflein auf des Hasses Weide geht! An diesen wird sie sich, zunächst in ihrer verführerischsten und dann, wenn dies nichts fruchtet, in ihrer abschreckendsten Gestalt zu hängen wissen, um ihn entweder zur Herde zurückzulocken oder durch den Haß zum Gegenhaß, zur Rache zu verführen. Wo wäre der Mensch, der ihr widerstehen könnte? Ich will ihn sehen!“
    Er sah den Ustad auffordernd an, doch dieser antwortete nicht. Da fuhr er fort:
    „Zeige mir den ganz Unmöglichen, Undenkbaren, den ich als Mensch vernichten will und der, in diese Vernichtung stürzend, kein Wort des Fluches, sondern Segen für mich hat! Zeige mir ihn, so sei alles, alles sein, was ich besitze, und mein Herz mit allem Haß dazu, den er zur Liebe wandeln möge! Zeige mir ihn, den es nie gegeben hat und niemals geben wird, den aus dem Himmel einst Verschollenen, der plötzlich, unerwartet, mitten in der Hölle unter Teufeln sitzt und für die betet, die ihn da hinabgerissen haben! Ich will ihm die Macht und Gewalt über alle diese Teufel geben, damit er sie bekehre und die Hölle ein Beit-y-Chodeh werde, unendlich größer und unendlich herrlicher als das, welches hier vor unsern Augen steht! Zeige ihn mir, so bin ich dein! Wo nicht, so bist zu aber mir mit allen deinen Dschamikun verfallen!“
    Er trat einige Schritte vor, bis fast an den Ring, den die Ältesten bildeten. Die halb geballte Faust emporgehoben, schaute er den Ustad mit einem so herausfordernden Blick an, als ob er wirklich über eine Hölle mit allen ihren Teufeln zu gebieten habe.
    Was hatte ich über diesen Mann zu denken? War er ein Besessener? Oder litt er an einer Monomanie, die ihn um die Kenntnis seiner selbst gebracht hatte? Ahriman Mirza! Hieß er wirklich so, oder wurde er nur so genannt? Welcher Vater gibt seinem Sohne den Namen Ahriman! Wie hatte ich ihn zu nehmen? Ernst oder lächerlich? Ich sah die Dschamikun einen nach dem anderen an. Auf ihren Gesichtern war nichts zu lesen. Aber der Ustad?
    Dieser wandte sich dem Perser zu. Sein Gesicht zeigte die mildstrahlende Güte, in welcher er vorhin zu mir an den Tisch gekommen war. Er sprach zu ihm, und zwar ganz so herzlich, wie dort zu mir. Und wie erstaunte ich, als er mit Worten begann, die ich als einen augenblicklichen Einfall vor mir, also als mein geistiges Eigentum betrachten mußte! Er sagte:
    „In den Märchen von ‚Tausend und ein Tag‘ wird folgendes erzählt: Es war am Tag, an welchem die Erlösung suchen ging. Sie klopfte an an allen, allen Erdenpforten. Doch als sie sagte, wer sie ausgesandt, da fand sie keine Tür, die ihr geöffnet wurde. Da ging sie trauernd weiter, bis zum tiefsten Schlund, in welchem die verdammten Geister wohnen. Sie setzte sich an seinem Rand hin und weinte über Chodehs Menschenkinder. Es floß der Tränen still vergoss'ne Flut. Wohin? Der Schmerz weint bei geschloss'nen Augen. Sie sah es nicht! Doch als sie dann die nassen Lider hob, da kam es aus dem Dunkel hell emporgestiegen. Wer waren sie, die engelslicht und rein an ihr, der Trauernden, vorüberschwebten und, leuchtend wie der letzte Sonnenstrahl, der Abschied nahm, im Abendrot verschwanden? Da kam er selbst, von Chodeh einst verbannt, der sich erkühnt, dem Himmelsherrn zu gleichen! Er stand vor ihr, sah lange stumm sie an und breitete dann seine starken Schwingen. ‚Gib mir die Hand!‘ sprach er. ‚Ich trage dich im Abendrot zurück zur Morgenröte. Was keiner Himmelsliebe möglich war, hast du erreicht durch deine Erdentränen. Wenn die Erlösung um die Menschen weint, so muß sogar das Herz der Hölle brechen. Ich war der erste aller Kreatur. Ich war der erste, der den Herrn betrübte. Nun will ich auch der allererste sein, der reuig wiederkehrt mit der Erlösung!‘ Er schaute ätherwärts. Da kam der Abendstern. Süß dufteten ringsum die Nachtviolen. Da schloß der Abgrund sich. Der Himmel tat sich auf. Und mit dem Duft der Blumen schwanden beide.“
    Ahriman Mirza war Wort für Wort dem Märchen mit immer wachsender Spannung gefolgt. Jetzt zischte er in

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