22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
worden sind, ist es uns nicht möglich gewesen, dies zu verhindern. Durch diese unerhörte, eigenmächtige Tat eures Ustad habt ihr euch verraten. Wir haben euch erkannt. Könnt ihr leugnen, daß es wahr ist, was ich erzähle?“
„Leugnen?“ antwortete der Peder. „Bei den Dschamikun darf die Lüge nicht wagen, sich einzuschleichen. Und sollte sie sich etwa offen zeigen, so offen, wie heut ihr zu uns gekommen seid, so würde sie genau so weichen müssen, wie ihr am Schluß des Rennens beschämt abzuziehen haben werdet.“
„Das Renne warte ab!“ fuhr der Perser auf. „Wir verfügen über Pferde von so adeligem Blut, wie – – –“
Da fiel der Peder schnell ein:
„Von so adeligem Blut, wie eure Freunde, die Massaban, besitzen, die Mörder, Räuber und Diebe sind, von denen wir das Land befreien mußten! Jetzt sage ich dir, was du uns soeben sagtest: Durch diese Freundschaft habt ihr euch verraten. Wir haben euch erkannt! Ihr seid noch größere Massaban als die, welche der Schah-in-Schah nach der Hölle des Südens schickte! Nehmt euch in acht, daß ihr ihnen nicht zu folgen habt!“
„Scheik – – –! Drohst du uns?!“ erklang es schnell und giftig.
„Ja!“ antwortete er. „Der Ustad hatte für dich und euch nur Liebe. Er kann nichts anderes haben. Du lachtest über seine offene Hand des Segens, welche er deiner Faust entgegenhielt. Du nanntest ihn furchtsam, einen Schwächling. So wisse denn: Die geballte Faust, die du von ihm erwartet zu haben scheinst, wird sich dir sicher zeigen, sobald er es für nötig hält! Ich bin diese Faust! Wenn ich meine Finger, die Tausenden von Dschamikun, zusammenziehe, so gibt das einen Schlag für euch, der euch wohl noch ganz anders treffen würde, als wir jene unglücklichen Massaban getroffen haben, welche nur die Werkzeuge waren, während ihr die Täter seid. Du hast gehöhnt, daß der Ustad sich ohne Liebe hilflos fühle. Er ist nicht ohne Liebe. Wir alle lieben ihn; das ist genug! Und er ist der Gebieter dieser Faust, auf deren Stärke er sich stets verlassen kann! Ich habe vorhin den Multasim gewarnt; jetzt warne ich dich: Zwinge mich nicht, mein Wort zurückzunehmen! Du selbst wirst es mir brechen, sobald du abermals beleidigend wirst. Hüte dich, so weiter wie jetzt aus deiner eingebildeten Höhe zu uns herabzusprechen! Tust du das noch einmal, so stecken wir euch zu euren edlen Kavalleristen, die jedenfalls ebenso adeligen Blutes sind wie die Massaban und auch ihr!“
Man sah Ahriman Mirza an, daß diese Rede des Peder aufregend auf ihn wirkte; aber die Sorge, daß dieser seine Drohung wahrscheinlich ausführen werde, veranlaßte ihn, sich zu beherrschen. Er fuhr mit den beiden Daumen hüben und drüben hinter seinen Gürtel und krallte die übrigen Finger um die in demselben steckenden Waffen. Dadurch wurde das Gürtelschloß frei, welches ich bis jetzt entweder nicht gesehen oder nicht beachtet hatte. Nun aber zog es meine Aufmerksamkeit derart auf sich, daß ich mir Mühe geben mußte, sie geheimzuhalten. Auf dem goldenen oder vergoldeten Grund dieses Schlosses war nämlich ein silberner Ring angebracht, der ein Sâ und ein Lâm umschloß, welche beiden Buchstaben über sich das Verdoppelungszeichen hatten. Ahriman gehörte also zu den Sillan, und wie es schien, bekleidete er in dieser geheimen Verbindung einen hohen Rang, vielleicht gar den allerhöchsten! Ich hatte dieses Zeichen bisher nur an Fingerringen gesehen. Daß er es so groß und deutlich an dieser augenfälligen Stelle trug, konnte keinen anderen Grund als den angegebenen haben.
Hatte ich ihn bisher schon an sich für einen ungewöhnlichen Mann halten müssen, so war er nun auch in besonderer Beziehung zu den Sillan zu distinguieren. Freilich ließ er mir nicht Zeit, diesen meinen heimlichen Betrachtungen nachzuhängen, denn er sprach jetzt weiter, und zwar schnell; in abgerissenen Sätzen, denen man es anhörte, daß er so rasch wie möglich zu Ende kommen und nicht gegen die Warnung des Peder verstoßen wolle. Eigentümlicherweise gebrauchte er jetzt nicht mehr die erste Person der Mehr-, sondern der Einzahl. Er verriet hierdurch den Druck, den die Drohung des Scheiks auf ihn ausübte und gegen den sich sein Selbstbewußtsein so gern aufgebäumt hätte und aber doch nicht konnte.
„Ich durfte das nicht länger dulden“, sagte er. „Ich beschloß, selbst hierher zu gehen. Ich mußte diesen fremden Ustad sehen. Ich hatte zu erfahren, wie es bei euch steht. Ich wollte vor
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