22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
allerdings glauben, daß er in voller Überzeugung spreche. Die Dinarun warfen untereinander heimlich sein sollende Blicke zu. Das war nicht zu verwundern, wenn man unsere Lage mit den Worten des Hadschi verglich. Nafar blieb ernst, doch hatte seine Stimme einen ungewöhnlich freundlichen, teilnehmenden Ton, als er jetzt sagte:
„Ich sehe, daß diese Sachen allerdings euer Eigentum sind. Wir haben sie gefunden, geben sie euch aber gern. Es freut mich, daß ihr nun als Männer vor mir steht, denen man ansieht, daß sie gewohnt sind, zu befehlen, nicht aber, zu gehorchen. Wir sind bereit, euch Hilfe zu erweisen. Ihr könnt einstweilen diese beiden Pferde, dann aber noch bessere bekommen, wenn ihr einwilligt, unsere Gäste zu sein und uns nach unserem Lager zu begleiten. Auch Gewehre, Messer und Pulver werden wir euch geben. Und wenn ihr es für nützlich haltet, bin ich sogar bereit, euch mit einer Anzahl meiner Leute zu begleiten, um den Dieben nachzueilen und ihnen abzunehmen, was sie euch entwendet haben.“
Konnten wir willkommenere Worte hören? Gewiß nicht! Ich wollte ihm sagen, daß ich bereit sei, sein Anerbieten dankbar anzunehmen, doch Halef kam mir zuvor. Er rief begeistert aus:
„Wie glücklich ist der Stamm, dem du angehörst, o Nafar Ben Schuri. Die Weisheit spricht aus deinem Mund, und von deinen Lippen klingen die Töne des Verstandes! Die Großväter deiner Ahnen und Urahnen sind die klügsten Leute ihres Volkes gewesen, und die Urenkel deiner spätesten Nachkommen werden berühmt in allen Ländern und Gegenden des Erdkreises sein. Wir sind gekommen, das Glück deines guten Herzens zu erhöhen, indem wir annehmen, was du uns bietest. Wir werden innige Freundschaft und ein ewiges Bündnis mit dir schließen. Wir sind bereit, dich sofort nach deinem Lager zu begleiten, und ich verspreche dir – – –“
„Halt!“ unterbrach ich ihn, denn er wäre in seiner Freude fähig gewesen, Zugeständnisse zu machen, denen nachzukommen uns später nicht möglich war.
„Was?“ fragte er. „Bist du etwa mit dem, was ich sage, nicht einverstanden, Sihdi?“
„Darin, daß wir die uns angebotene Hilfe annehmen, stimme ich dir bei, Halef. Aber nach dem Lager können wir nicht gleich mit.“
„Warum?“
„Es ist nur noch kurze Zeit bis zum Untergang der Sonne. Dann werden die Diebe Halt machen. Ich möchte womöglich erfahren, wo sie die Nacht zubringen. Gelingt uns das, so können wir bis früh schon wieder im Besitz unserer Pferde sein. Wir können also nur eins tun, nämlich jetzt sogleich ihren Spuren folgen.“
„Das ist wahr!“ gab er zu.
„Ja, das ist richtig!“ stimmte auch Nafar bei. „Und damit ihr seht, daß ich es wirklich freundlich mit euch meine, erkläre ich, daß wir euch begleiten werden. Ihr werdet aber einsehen, daß ich einen Boten in das Lager senden muß!“
„Natürlich! Er hat Nachricht zu geben, daß und warum ihr heut nicht zurückkehrt“, sagte ich.
„Noch mehr!“
„Was?“
„Wir sind nicht so berühmte Krieger, welche, so wie ihr, ohne Waffen und fast in der Minderzahl einen Feind verfolgen, der gezeigt hat, daß er zu allem fähig ist. Ich bin es meinen Leuten schuldig, Vorsicht walten zu lassen, und so – – –“
„Vorsicht?“ fiel da Halef schnell ein. „Minderzahl? Wir waren nur zwei, und wie sahen wir aus – und doch sind wir hinter den Dieben her! Ihr seid acht, mit uns zehn, genau so viel, wie die Feinde zählen, von denen zwei krank sind!“
„Aber ihr habt noch keine Waffen!“
„Die haben wir!“
„Wo?“
„Da – dort – – – bei den Spitzbuben! Die haben ja unsere Gewehre, und die holen wir uns!“
Da ging ein eigenartiges Lächeln über das Gesicht des Anführers. Er strich sich mit der Hand über den dunklen Bart und sagte in bedächtigem Tone:
„Ja, es ist alles wahr, was ich von Hadschi Halef Omar, dem Scheik der Haddedihn, vernommen habe. Deine Gedanken haben die Schnelligkeit des Blitzes; hierauf folgt sofort der Donner deiner Worte, und wie der Regenguß kommt dann die schnelle Tat. Aber wir wissen zwar, was jetzt ist und wie es ist, doch wie es sein wird und was noch kommen kann, das wissen wir nicht. Wenn zehn Männer gegen andere zehn Männer stehen und man aber leicht eine größere Schar haben kann, so soll man nicht auf diesen Vorteil verzichten. Habe ich recht oder nicht, Sihdi?“
Diese Frage war an mich gerichtet, und so antwortete ich:
„Ich stimme dir bei, falls dieser Zuwachs an Kriegern
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