22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
nicht mit Verlusten andererseits verbunden ist.“
„Welche Verluste könnten das wohl sein?“
„Ich meine vor allen Dingen die Zeit, welche wir dadurch verlieren könnten.“
„Wir haben keinen Augenblick zu opfern, Sihdi, denn wir folgen ja sofort der Spur der Diebe, während sich nur ein einziger Mann von uns trennt, um nach dem Lager zu reiten und mehr Leute zu holen.“
„Wie folgen uns diese? Auf unserer Fährte?“
„Nein. Denn wenn sie dies täten, so müßten sie erst wieder hierher, und dann kämen sie freilich zu spät. Sie könnten dann unsere Spuren nicht sehen, weil es inzwischen dunkel werden muß.“
Er sann einige Augenblicke nach und fuhr dann fort:
„Die Reiter hatten die Richtung nach dem Dschebel Ma; das ist der ‚Berg des Wassers‘, weil es dort eine Quelle gibt. Ich bin überzeugt, daß sie dort in der Nacht lagern werden. Ich lasse dreißig oder vierzig Krieger holen, welche vor diesem Berg an einer Stelle wo wir auf sie warten werden, auf uns zu treffen haben. Meinst du nicht, daß dies richtig sein wird?“
Es war ein Glück für uns, diesem Scheik der Dinarun und seinen Leuten begegnet zu sein. Ich hätte freilich gerne eine andere Disposition getroffen, fühlte mich ihm aber zu Dank verpflichtet und durfte es nicht zu einer vielleicht möglichen Verstimmung zwischen ihm und mir kommen lassen. Darum erklärte ich:
„Wir kennen diese Gegend nicht; euch aber ist sie wohlbekannt; darum bin ich überzeugt, daß dein Rat der beste ist, der uns gegeben werden kann. Wir werden ihn befolgen.“
„Ich danke dir, Sihdi! Du wirst die Erfahrung machen, daß sich niemand täuscht, der mir vertraut. Wir kehren also mit euch beiden um.“
Er gab einem seiner Leute die nötigen Befehle, und als dieser im Galopp fortritt und das ledige Packpferd mitnahm, stiegen wir auf und schlugen die Richtung ein, aus welcher die Dinarun gekommen waren.
„Brrr!“ schüttelte sich Halef, als wir kaum einen Kilometer zurückgelegt hatten.
„Friert dich wieder?“ fragte ich ihn.
„Ja. Aber es ist auch noch etwas anderes.“
„Was?“
„Mein jetziges Pferd! Oh, Sihdi, welch eine Wonne des Paradieses ist es, auf meinem Barkh zu sitzen! Ja, es sind sogar zwei, drei, vier oder fünf solche Wonnen! Aber so ein Gaul wie dieser! Sihdi, bist du einmal auf einem Zigenbock geritten?“
„Nein.“
„Ich auch nicht; aber ich leide jetzt dieselben Qualen, die man eigentlich nur auf dem Rücken einer Ziege suchen darf. Ich weiß nicht, ist das Pferd schuld, oder gibt es eine andere Ursache: Ich werde schwindelig; mein Herz klopft überschnell.“
„Halef, du bist krank, ernstlich krank!“ rief ich besorgt aus.
„Krank? O nein! Wie könnte ich krank sein, wenn es Spitzbuben zu verfolgen und einzufangen gibt! Du mußt doch deinen alten treuen Hadschi kennen!“
„Irre dich nicht! Denke einmal an jenen Unglücksritt von Bagdad auf dem Weg der persischen Todeskarawane!“
„An den werde ich denken, so lange ich nur denken kann, wir ritten der Pest entgegen, die erst dich, dann mich ergriff.“
„So erinnere dich genau! Vergleiche deinen damaligen Zustand mit deinem jetzigen!“
„Allah! Hast du etwa Grund, jetzt wieder an die Pest zu denken?“
„Nein, sondern einstweilen nur an das Kranksein im allgemeinen. Daß du Schwindel hast, macht mich besorgt.“
„Jetzt ist er wieder weg; aber ich habe Figuren und bunte Fäden vor den Augen, die mich hindern, deutlich und klar zu sehen.“
„Hm! Halef, ich wollte, wir hätten unsere Pferde und überhaupt unser Eigentum wieder und befänden uns an einem stillen, sicheren Orte, an dem wir bleiben könnten!“
„Sihdi, lieber Sihdi, mache mir doch nicht Angst mit deiner Sorge um mich! Ich bin ja ganz gesund! Schau, vorhin fror es mich; jetzt aber ist das völlig weg; es ist mir sogar heiß, ganz heiß geworden. Habe also keine Angst. Ich bin so rüstig, wie ich stets gewesen bin und wie ich bleiben werde, bis ich sterbe!“
Es wäre ein großer Fehler gewesen, ihm diese gute Meinung zu widerlegen; darum sagte ich nichts, und da auch er nicht weiter sprach, so ritten wir nun still nebeneinander her. Nafar Ben Schuri ritt voran; dann folgten wir zwei, und hinter uns kamen seine Leute. Es war eigentümlich, daß der Anführer sich nicht zu uns hielt, aber keineswegs unerklärlich. Wir sahen, daß er der Fährte, welcher wir folgten, große Aufmerksamkeit widmete; das hätte er nicht gekonnt, wenn er gezwungen gewesen wäre, sich mit uns zu
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