22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Rache wie ein böser Geist, der nicht eher ruht, als bis er ihn vernichtet hat. Darum wollte ich deine Frage nicht beantworten. Bist du nun versöhnt?“
„Ich will es sein, warne dich aber vor ähnlichen Beleidigungen. Weißt du vielleicht, ob Sallab, der Fakir, mit den Dschamikun bekannt ist?“
„Er geht überall hin, wahrscheinlich auch zu ihnen.“
„Ist er ihnen mehr Freund als euch?“
„Wer kann das sagen!“
„Er ist hier gewesen.“
„Hier? An diesem Orte?“ fragte er erstaunt.
„Ja.“
„Unmöglich!“
„Er hat auf der braunen Stute des Ustad gesessen.“
„Das ist ebenso unmöglich!“
„Schau her! Hier an dieser Stelle sind die beiden Reiter von den Pferden gestiegen. Der, welcher den Hengst ritt, hat die Spuren von ledernen Sohlen hinterlassen. Der andere, welcher von der Stute sprang, ist barfuß gewesen. Nun komm hierher, wo sie gesessen haben! Hier der Barfüßige, und hier der andere. Hast du vielleicht schon einmal einen Menschen so auffällig sitzen sehen, daß er nur das eine Bein unterschlägt und auf das Knie desselben die Kniekehle des anderen Beines legt, dessen Ferse also jenseits den Boden berühren muß!“
„Maschallah! So sitzt nur einer! Auch du hast ihn gesehen!“
„Wer ist's?“
„Der Fakir!“
„Richtig! Diese seine Art zu sitzen oder vielmehr zu hocken ist mir sofort aufgefallen, als er in eurem Lager sich bei uns niederließ. Der barfüßige Mann hier hat ganz genau in derselben Weise gesessen.“
„Kann es nicht einen zweiten geben, welcher auch diese Gewohnheit hat?“
„Gut, nehmen wir diese Möglichkeit an! Aber hast du dir genau betrachtet, wie der Fakir gekleidet war?“
„In Fetzen!“
„Wodurch wurden diese Fetzen zusammengehalten?“
„Durch eine Schnur. Die Enden des Knotens hingen hinten herab.“
„Hast du an diesen beiden Enden etwas bemerkt?“
„Zwei Zypressenzapfen an jedem.“
„So sieh hierher! Diese Zapfen haben, als er saß, den Sand hinter ihm berührt. Er hat sich bewegt und mit sich diese Zapfen. Siehst du diese Striche? Und da, wo sie stillgelegen haben, die runden Eindrücke in dem Mehl des feinen Sandes?“
Er richtete die Augen auf diese Zeichen und dann, groß und weit geöffnet, auf mich.
„Sihdi“, sagte er, „das ist nun freilich Spurenlesen! Es ist bewiesen, daß es wirklich der Fakir war, der hier gesessen hat. Aber an das Pferd des Ustad glaube ich noch nicht!“
„Ich habe nur gesagt, was für ein Pferd es war. Mehr kann ich nicht wissen. Den Ustad hast du selbst genannt. Ist er denn reich genug, der Besitzer eines solchen Pferdes zu sein?“
„Ja, man sagt, daß er die Macht über den ganzen Reichtum der Erde besitze.“
„Man sagt so manches, was man eben bloß sagt. Heut hat für mich nur das Geltung, was ich hier sehe. Wann denkst du, daß wir das Daraeh-y-Dschib erreichen werden?“
„Wir werden schon heut abend in seiner Nähe sein, obgleich wir einen Umweg eingeschlagen haben, um nicht auf etwaige Nachzügler der Dschamikun zu treffen.“
„So treffen wir aber doch vielleicht auf eure Späher nicht!“
„O doch! Wir haben heut den Weg der Feinde zu kreuzen, um ihnen dann zuvorzukommen. An dieser Kreuzungsstelle haben meine Kundschafter auf uns zu warten.“
„So kennen sie die Stelle, an welcher diese Kreuzung stattfindet?“
„Ja. Ich hoffe, daß euer Vertrauen zu uns nun wieder vollständig zurückgekehrt ist!“
Er sah mich an, erwartungsvoll, was für eine Antwort ich nun geben werde. Da wurde mir so offen, daß er es hörte, von Halef die Frage zugeworfen:
„Was wirst du ihm sagen, Sihdi? Das Vertrauen ist nicht wie eine Dattel, die man in der Minute zehnmal hin und her geben kann. Es geht schneller fort, als es wiederkehrt.“
„Ich werde ihn nach einer Lücke fragen, die es zwischen ihm und uns gibt, lieber Halef“, antwortete ich.
„Eine Lücke? Ich kenne keine.“
„Und doch ist sie da. Wir haben sie mitgenommen, als wir das Lager der Dinarun verließen. Sie wurde um Mitternacht, als uns der Nachtrab erreichte, größer als sie vorher war, und nun bin ich neugierig, ob es ihm gelingt, sie auszufüllen. Ich habe darüber geschwiegen, weil du an die Dinarun glaubtest und ich dir deine Unbefangenheit gönnte.“
„Ich verstehe dich nicht!“
„Du wirst es gleich hören!“
Und zu dem Scheik gewendet, fuhr ich fort:
„Ist euer Lager jetzt vollständig verlassen?“
„Ja“, nickte er.
„Es befindet sich niemand mehr dort?“
„Kein Mensch
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