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2216 - Tau Carama

Titel: 2216 - Tau Carama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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derart heftig reagiert. Was war es?"
    „Keine Tau Carama", ächzte Intake. „Aber es kam vom Meer, das habe ich gespürt."
    „Dann hat sich irgendwo im Sturm etwas ereignet. Vielleicht erhellt sich unser Verstand, wenn wir einen Choral singen."
    Intake fuhr auf. „Keinen Choral, das wäre der Untergang!", schrie sie so laut, dass Noreike erschrak. „Entschuldige Norei-Norei." Sie fiel zurück. Die heftige Bewegung verursachte ihr stechenden Schmerz in der Brust und ein Knacken im Rücken. „Deine Panikreaktion zeigt, dass du doch etwas empfunden hast, unbewusst vielleicht", flüsterte Noreike. „Intake, versuche dich zu erinnern."
    „Ja." Sie schloss die Augen. „Ich versuche es."
    In Gedanken bewunderte sie Noreikes Geduld, die die Freundin in all den Jahrzehnten bewiesen hatte. Selten war ihr ein böses Wort über die Lippen gekommen. „Beraterin" nannten die Motana auf Ore sie, obwohl Intake ihr nie offiziell diesen Titel verliehen oder ihr einen entsprechenden Auftrag gegeben hatte.
    Ich habe dich immer mit anderen Augen gesehen, dachte Intake. Und tue es auch heute noch.
    Seit jenem denkwürdigen Tag, als sie gemeinsam die tödliche Macht der Tau Carama erlebt hatten und Intake zur Irthumo-Lauscherin geworden war, wich Noreike nicht mehr von ihrer Seite. Sie teilten das Nest und das Bett. Die Kinder hatten sie gemeinsam großgezogen, Noreike drei, Intake sieben. Lange war das her. Intake hatte die Sommer nicht gezählt. Was spielte es für eine Rolle, ob hundert oder zweihundert ins Land gezogen waren. „Ich empfand es, als bräche die Wucht eines außer Kontrolle geratenen Chorals über mich herein", sagte sie langsam. „Ja, genau, das war es. Ich bin sicher, dass ich mich nicht täusche. Aber ich konnte es nicht festhalten. Schneller, als je ein Motana zu reagieren vermag, brach es ab, verschwand spurlos. Was kann es gewesen sein?"
    „Ein gewaltiger Motana-Chor mitten im tödlichen Sturm?", überlegte Noreike. „Schicke Boten zu den Strandwächtern. Gemeinsam sollen sie nach Wrackteilen eines Schiffes oder Körpern Ausschau halten, die der Sturm an Land spült."
    Intake fand den Gedanken der Freundin gut und richtig. Aber seit wie vielen Generationen war kein Motana-Schiff mehr nach Ore gekommen? Und wieso ausgerechnet jetzt und bei aufziehendem Unwetter?
    Zumindest erklärte es das, was sich bruchstückhaft in ihr Bewusstsein eingebrannt hatte - Wesen in Todesnot, die den Choral anstimmten und um Rettung flehten. Und dann blitzartig ertranken. „Nein", sagte Intake plötzlich. „Es kann kein Schiff gewesen sein. Lass mich nachdenken.
    Vielleicht fällt es mir dann wieder ein."
    Etwas wie von einer verschütteten Erinnerung kehrte zurück, aber es war zu wenig, um es mit Gedankenfingern greifen zu können. Etwas in diesem Dunkel, in das dieser gewaltige Chor sie übergangslos gestürzt hatte ...
    Wie eine Flutwelle stürzte es plötzlich über Intake herein. Sie klammerte sich an die Freundin. „Ich hab's. Ich kann es festhalten!" Und etwas leiser und langsamer sagte sie: „Als ich aus der Bewusstlosigkeit zu mir kam, hatte ich einen Traum. Ich träumte von - von den Ozeanischen Orakeln."
    „Es gibt keine Ozeanischen Orakel mehr." Ein mitfühlender und gleichzeitig irritierter Blick Noreikes traf sie. „Schon seit langer Zeit."
    Es entsprach dem Wissensstand auf Ore. In der Isolation der Insel lebten sie glücklich und unbeschwert, aber auch ohne Informationen. Sie verschmerzten es. Solange die Motana in Oreschme kein technisches Gerät benutzten, würden die Kybb-Cranar nicht auf sie aufmerksam werden. „Natürlich", pflichtete Intake ihr bei. „Aber es ändert nichts an meinem Traum."
    Draußen zwischen den Nestkapseln in der Luft und den Hütten am Boden entstand Unruhe.
    Noreike huschte hinaus. Durch den offenen Vorhang sah Intake ihr zu, wie sie halb im Seil hing, halb sich am Nest abstützte. Drunten erhoben sich Stimmen. Sie lieferten sich einen Wortwechsel mit der Beraterin. Noreike kehrte zurück. In ihrem Gesicht spiegelten sich endloses Staunen und tiefe Ehrfurcht. „Es ist wie damals und in all den Jahren bis heute", sagte sie und beugte sich liebevoll über Intake. „Du behältst wieder einmal Recht. Die Strandwächter haben einen der Ihren ins Dorf gesandt. Wir brauchen keinen Boten mehr zu schicken."
    „Und?" Intake erschrak vor ihrer eigenen Stimme. Sie hörte sich an, als gehörte sie ihr nicht. „Sag endlich, was los ist!"
    „Das Meer hat Motana angespült. Fremde

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