2229 - Zuflucht der Motana
könne sie es nicht fassen, dass ihr Gegenüber nicht verstand. „Das werden sie nicht tun. Die Majestäten haben zu tun. Sie sind nur heute in Kimte, dann verstreuen sie sich wieder in alle Winde."
„Das ist verständlich", kam Rhodan Zephyda zuvor, die offensichtlich wieder eine scharfe Erwiderung auf der Zunge hatte. „Wieso fliegen wir nicht einfach die SCHWERT bis unmittelbar an Kimte heran? Einige Meter durch den Sturm werden wir schon schaffen."
Venga schüttelte heftig den Kopf. „Nein, das geht nicht! Ihr würdet den Pflanzengürtel beschädigen, die Arbeit von Jahren zunichte machen."
„Dann müssen Ihre Majestät und ihre Wegweiserinnen sich eben zu uns bequemen", verlangte Zephyda.
Venga zuckte förmlich zusammen. „Was? Das werden sie niemals ..."
„Es gibt noch eine weitere Möglichkeit", sagte in dem Moment Rorkhete mit seiner ruhigen, tiefen Stimme. „Eine, die die Interessen aller Seiten wahrt."
„Und die wäre?"
„Kommt mit, ich zeige es euch." Der Shozide stapfte zur Zentrale hinaus. „Huuuuiiiiiiii!" Die schrillen Schreie Vengas dröhnten aus dem Headset und schmerzten in Zephydas Ohren, übertönten das Jaulen des Sturms, der sich am Schirmfeld des Trikes rieb.
Zephyda sehnte sich danach, die Funkverbindung abschalten zu können, doch das war unmöglich. Zum einen kannte sie sich mit den Trikes - zu denen die Headsets gehörten - nicht gut genug aus, zum anderen hatte sie alle Hände damit zu tun, nicht von der heftig bockenden Maschine geworfen zu werden.
Rorkhete, in dessen Jacke sie tief ihre Finger vergraben hatte, war mit Sicherheit der beste Fahrer von ihnen, doch selbst ihm bereitete es Schwierigkeiten, das Trike auf der sturmgebeutelten Ebene zu beherrschen. Atlan, der allein auf einer der Prallfeldmaschinen saß, und Rhodan, der sein Trike mit Venga teilte, mussten mit dem Sturm noch wesentlich schlechter zurechtkommen - und dennoch quietschte Venga vor Vergnügen. „Schneller, Perry, schneller!"
Als wäre das hier ein Spiel, ein Abenteuer, das nur dem Zweck diente, sich die Zeit zu vertreiben. Als bedeute sein Scheitern nur das Ende eines Spiels, das morgen, wenn ein neues begann, bereits vergessen sein würde. Als befänden sie sich nicht an einer Weggabelung, die über das Schicksal aller Motana entscheiden würde, als gäbe es die Kybb-Cranar nicht. „Wow, der Sprung war verschärft, Perry! Kriegst du das noch mal hin?"
Zephyda war wütend auf Venga. Wütend und neidisch. Wütend, weil die Botin den Ernst der Lage nicht erkennen wollte. Neidisch, eben weil die Botin es nicht tat, weil Venga nicht die Last der Sorgen in die Knie zwang, sie nicht lange, von Zweifeln geplagte Nächte durchwachte, sie das Leben genoss und sich einen feuchten Dreck um das Morgen scherte. Weil die Botin sich nicht mit notwendigen, aber unbequemen Befehlen bei den anderen unbeliebt machen musste.
Zephyda war klug und ehrlich genug, ihre Gefühle zu analysieren. Ihre Wurzeln zu verstehen. Nur: Es half nichts. Und das machte sie nur noch wütender. Was nützte es, sich kluge Gedanken zu machen, wenn man danach nur noch erbärmlicher dastand? „Ooooh, schon vorbei?", drang es aus ihrem Headset.
Das Bocken des Trikes hatte aufgehört, einem schwachen Vibrieren Platz gemacht. „Wir sind da", verkündete Rorkhete. Er zeigte auf die Wirbel jenseits des Schirms. Sie wirkten auf Zephyda keinen Deut weniger wild als das, was sie bisher gesehen hatte. „Ach ja?"
„Der äußere Wall Kimtes ist keine zehn Schritte von hier", beschied ihr Rorkhete. Seine Stimme hallte doppelt in ihren Ohren: aus dem Headset und vom Schirm des Trikes zurückgeworfen. „Du musst nur die Augen schließen und losrennen. Die Kantblätter lassen dich durch. Sie bilden nur für den Wind eine undurchdringliche Barriere. Venga hat es mir gesagt."
„Wieso sagst du >du Soll das heißen, dass du nicht mitkommst?"
„Nein."
„Aber das kannst du nicht ...!" Zephyda brach ab. Rorkhete musste mitkommen. Sie brauchte ihn. Nicht jede Motana von Tom Karthay war so dumm wie Venga. Die Majestät und ihre Wegweiserinnen mussten die Legende des einsamen Wanderers kennen. Mit Rorkhete an ihrer Seite hatte sie diesen Tag bereits so gut wie für sich entschieden. „Aber ich brauche dich!", rief sie. „Nein, das glaubst du nur." Zephyda spürte, wie sich unter der Jacke kräftige Muskeln bewegten, als der Shozide tief Luft holte. „Du willst die Motana dieser Welt auf deiner Seite haben, also musst du es selbst schaffen.
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