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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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Ich sagte noch darauf, ich hätte schon Angst gehabt, dass der Feind schon hier wäre, worauf mir dieser Mann noch sagte: »Nein, nein, es war nur eine Nachtübung

    Weiters heißt es in der Zeugenaussage von Josef Böcksteiner:
Ich ging dann ins Bett, es war bereits 4 Uhr und schlief ein. Am 3. 5. 1945 schlief ich wegen der durchwachten Nacht etwas länger und rief mir mein Dienstmädchen um zk. 5.30 Uhr, geschwind kommen Sie heraus, die haben in der Nacht die Juden erschossen. Ich ging hinunter in den Graben und sah, dass dort erschossene Leute liegen, die brannten. Ich ging in mein Haus zurück und sah nicht mehr hinunter, da mir vor dem Anblick der brennenden Leichen schauderte. Mehr kann ich in dieser Angelegenheit nicht angeben und entsprechen meine Angaben der Wahrheit. Vorstehendes wurde mir vorgelesen, habe es selbst durchgelesen und für richtig befunden
.
    Es ist dies übrigens das einzige Protokoll, in dem der Revierinspektor auch Gefühle eines Zeugen überliefert: Angst und Schaudern.
    Kurz nach Einbruch der Dunkelheit kehren Winklers Männer wieder zum Posten zurück. Sie sind hungrig und erschöpft und erfüllt von einer bleiernen Hoffnungslosigkeit. Der Revierinspektor empfängt sie im Dienstzimmer des Kommandanten, der sich schon seit gestern nicht mehr sehen hat lassen, und verlangt von jedem von ihnen einen detaillierten mündlichen Bericht. In allen Häusern und Hütten seien sie gewesen, erzählen seine Männer, in allen Winkeln und Wohnungen in Hofamt Priel, in denen man etwas vom Massaker bemerkt haben müsste, und sie hätten nur Menschen voller Angst und Abwehr angetroffen. Alle würden sich fürchten – entweder vor der Rache der Russen oder des Weltjudentums oder vor einer Rückkehr der SS, je nachdem. Außerdem seien kleinere Grüppchen des Persenbeuger Volkssturms schon damit beschäftigt gewesen, die Leichen der Erschossenen zu durchsuchen. Der Ortsgruppenleiter Urban habe ihnen versichert, dass morgen schon die ersten Funde, Ausweise, Dokumente und so weiter am Posten abgeliefert werden würden.
    Nachdem er sich die immer gleichen Geschichten angehört hat, schickt Revierinspektor Winkler seine Männer nach Hause. Nur von Korporal Soukop verlangt er, dass dieser ebenso wie er selbst am Posten zu übernachten habe. Außerdem befiehlt er dem Korporal, ihm aus seinem Zimmer im
Goldenen Ochsen
die Waschschüssel und Seife, sein Rasierzeug und seine Zahnbürste sowie etwas Wäsche zu bringen. Bei der Gelegenheit solle Soukop auch seine eigenen Sachen von zu Hause holen und vielleicht auch noch etwas zum Nachtmahlen für sie beide aus dem Gasthaus, ein paar Bezugsscheine habe er vorbereitet.
    »Ich wohne in Gottsdorf, Herr Revierinspektor«, meint Soukop, »das geht sich heute nicht mehr aus.«
    »Na ja, Soukop, dann werden wir morgen Früh wohl dasselbe Rasierzeug benützen«, meint Winkler.
    Während sich Soukop mit dem Fahrrad auf den Weg macht und auch die übrige Mannschaft den Posten verlässt, konzentriert sich der Revierinspektor wieder völlig auf das Diensttelefon auf dem Schreibtisch. Bisher ist noch kein Anruf aus dem Krankenhaus Melk erfolgt. Auch vom Landratsamt hat sich den ganzen Tag keiner gemeldet, geschweige denn der Landrat selbst.
    Revierinspektor Winkler macht sich schön langsam Sorgen um Korporal Landler, der noch immer da draußen ist. Es wäre fatal, höchst fatal, denkt der Gendarm, wenn es nicht gelingt, die 6 Überlebenden zu retten. Dann bliebe nämlich praktisch kein Fürsprecher für ihn und für alle hier in Persenbeug übrig.
    Es ist eine disparate, kleine Gruppe von Menschen, die da an diesem 3. Mai 1945 kurz vor Mitternacht im Wohnzimmer der Dienstwohnung des Melker Krankenhausverwalters Franz Güttler ein Kapitalverbrechen begeht, das von den braunen Machthabern bei Entdeckung in der Regel mit dem Tod oder bestenfalls mit der Einweisung in ein KZ bestraft wird. Franz Güttler, seine Tochter Inge Kanizsai-Nagy sowie die junge Ärztin Hilde Jost hören Radio, und zwar den verbotenen britischen Sender BBC, der ein baldiges Ende des Krieges verspricht. Tatsächlich ist Melk aber noch immer ein Teil des so genannten Dritten Reiches, eine kleine Frontstadt, proppenvoll mit rückflutenden Einheiten der deutschen Wehrmacht und mit Verbänden der aggressiven Waffen-SS. Das bedrohliche, dumpfe Grollen von Artilleriegeschützen war den ganzen Tag über zu hören. In den Nächten kündigt das Aufblitzen von so genannten Christbäumen, mit denen alliierte

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