2254 - Der ewige Gärtner
ganz gelang es ihm nie. Er zitterte, obwohl es drückend warm war. Die Welt atmete nicht mehr. Die Welt wartete - vielleicht auf das Wunder, vielleicht auf das endgültige Ende. Orrien Alar spürte, wie der Saft in ihm hochkochte und Blasen auf seine borkige Haut trieb, die beim Zerplatzen einen üblen Geruch zurückließen.
Ein Blitz zuckte aus den Wolken und blendete ihn. Der Donner folgte nur wenige Augenblicke später. Der Einschlag war so nahe gewesen, dass er ihn wie einen elektrischen Schlag gespürt hatte. Die Natur duckte sich unter der Wucht des Unwetters, das plötzlich, über die Welt hereinbrach. Orrien Alar klammerte sich noch fester an den Stamm. Der aufkommende Wind rüttelte an den Zweigen, wurde innerhalb von Minuten zum Sturm. Die Regentropfen peitschten die Natur. Sie verwandelten sich in Hagelkörner, wie mitten im Winter. Dabei war es Hochsommer in diesem Teil von Tan-Jamondi II, wie die Schutzherren ihre Welt genannt hatten, vor langer, langer Zeit.
Der Hagel riss Löcher in die Blätter der Bäume und peinigte die Stämme und Äste. Es war dunkel geworden. Immer neue Blitze zerfetzten die tobende Düsternis. Der Donner wollte kein Ende nehmen, rollte von einem Ende der Welt zum anderen und wieder zurück.
Orrien Alar stöhnte gequält. Seine Stimme ging unter im Toben der Elemente und dem knarrenden Ächzen der sturmgepeitschten Äste. Es war, als sollte die Welt untergehen.
Der Hüter hatte in seinem viele tausend Jahre währenden Leben so manches Unwetter über sich ergehen lassen müssen. Es machte ihm unter normalen Umständen nichts aus.
Aber das hier war anders, so fürchterlich anders. Er wusste es, die Welt wusste es. Die Vögel, die Käfer, die Bewohner des Bodens sie alle spürten es.
Fast eine Stunde lang war der ewige Gärtner eins mit dem Baum. Der Hagel schmerzte und schlug kleine Krater in seine braune Haut, die ihn aussehen ließ wie aus Erde gemacht; ein Geschöpf, das gerade dem Urschlamm entstiegen war. Orrien Alar ertrug es ohne einen Laut, doch seine Seele litt wie die Seelen aller Lebewesen, die dem schrecklichen Toben ausgesetzt waren.
Endlich hörten die Blitze auf, Donner und Sturm erloschen, und ganz gemächlich endete der Schrecken, und die Welt lag wieder ruhig. Es wurde heller, obwohl die Wolken blieben und einen dichten Vorhang am Himmel bildeten, den die Sonne nicht mit ihrer! Strahlen durchbrechen konnte. Dennoch wich die Kälte, die der Hagel gebracht hatte, rasch neuer Wärme, die die niedergeschlagene Feuchtigkeit verdampfen ließ. Modriger Dunst erfüllte die Luft. Die Zweige richteten sich wieder auf.
Normalerweise begannen jetzt die Vögel zu singen und die kleinen Baumbewohner zu keckem. Aber sie taten es nicht. Kein Laut war zu hören. Der Wald, die Welt wartete.
Orrien Alar spürte ihren Herzschlag nicht. Sie wusste, dass es noch nicht vorbei war. Vielleicht hatte sie gerade erst den Anfang erlebt, ein Vorspiel zu dem, was noch kommen sollte.
Der ewige Gärtner löste sich von dem Stamm. Stumm drehte er den Kopf und sah in die Richtung, in welcher der Dom lag. Für einen Moment erwachte in ihm der Drang, hinabzuklettern und den Wald zu verlassen. Aber es war noch zu früh. Das, worauf er wartete, seitdem er die Kapsel in die heilige Erde gelegt hatte, konnte noch nicht geschehen sein. Er durfte noch nicht gehen. Die Ungewissheit quälte ihn mehr als vorhin das Unwetter, aber er musste warten. Er musste sich ablenken, durfte am besten überhaupt nicht daran denken.
Orrien Alar besann sich darauf, wozu er hierher gekommen war. Er hatte nicht nur die Anlagen im und um den Dom herum zu hegen und zu pflegen. Auch der Wald brauchte seine Hilfe. Der Wald, die Bäume, dieser Baum. Vor lauter Warten auf das, was ihm diesmal vielleicht endlich gelingen konnte, vor lauter Angst vor dem, was mit seiner' Welt geschehen mochte, hatte er es fast vergessen. Er hatte das Klagen der Bäume nicht mehr gehört, ihr Leiden nicht mehr gespürt, als sei es sein eigenes.
Jetzt war es wieder da. Orrien Alar verdrängte alle anderen Gedanken und ließ nur die Gefühle auf sich einwirken. Das stumme Klagen des Baumes führte ihn zu den Stellen, wo seine Wunden am schlimmsten waren.
Er machte sich an die Arbeit. Der Tag war noch lang und die Nacht noch länger. Erst wenn die Sonne wieder aufging - falls sie je wieder aufginge! -, würde er zum Dom der Schutzherren gehen können.
Orrien Alar war ein zwar langsamer, aber ungemein geschickter Kletterer für ein Wesen,
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