2288 - Notruf von Terra
die Augen auf. „Wie kann nur jemand ...? Es geht ihm doch gut, oder? Sag nicht, dass er gestorben ist. Wir kannten einander zwar nicht so gut wie beispielsweise ..." Sie verstummte schlagartig. „Da ist noch mehr, habe ich Recht?", fuhr sie nach einer kleinen Pause fort. „Du warst es. Du warst die Selbstmordattentäterin, Bre. Du hast in dem Wahn gelebt, Homer G. Adams töten zu müssen, um der terranischen Wirtschaft und damit der menschlichen Kultur einen schweren Schlag zu versetzen."
Bre Tsinga erbleichte. „Ich habe Homer getötet?"
Daellians Stimme blieb ruhig. „Du hast es versucht. Aber du warst darin ebenso erfolglos wie darin, dich selbst umzubringen. Was ich dir aber eigentlich verdeutlichen will: Die Gefährlichkeit der Selbstmordtrupps kannst du daran ermessen, wie es dir ergangen ist. Du hast es bis ins Schlafzimmer des Unsterblichen geschafft, hast auf das Knäuel unter der Bettdecke eingestochen, das aus Stoff und Wolle bestand."
„Grundgütiger! Da hat die Gunst des Schicksals den armen Mann aber noch einmal gerettet."
„Ihn - ja. Zuvor allerdings musstest du in seine Suite vordringen und hast dabei zwei Wächter getötet."
Bre sprang auf und sank mit einem Schmerzenslaut wieder zurück. Sie schlug die Hände vor das Gesicht.
Malcolm S. Daellian fuhr vier Tentakel aus. Zwei umfingen die Frau sacht, die beiden anderen streichelten ihre Schultern und den Rücken. „Du kannst doch nichts dafür. Du erinnerst dich nicht einmal daran."
„Ich bin eine Mörderin!" Sanft zog er ihre Hände vom Gesicht weg. „Der Mörder ist Gon-O, ein verrückter Nocturnenstock in Vereinigung mit dem Bewusstsein eines ehemaligen Schutzherrn, der den Stock heilen wollte, dabei aber buchstäblich unter die Räder geriet."
„Ein Verrückter?"
„Nach unseren Wertmaßstäben: ja. Er selbst wird sich wohl nie dafür halten."
Diese Weisheit hatte sich schon oft bewahrheitet. Die Kränksten hielten sich meist für die Gesündesten. „O mein Gott!" Bre fing an zu schluchzen. Malcolm ließ sie gewähren. Er hatte sich zuvor mit den wichtigsten Bordpsychologen über sein Vorgehen beraten. Bre war selbst Kosmopsychologin. Sie würde dank ihres Wissens und ihrer Ausbildung ziemlich schnell darüber hinwegkommen. „Zwei Morde! Zwei Menschenleben!"
„Ja, aber nicht auf dem Gewissen'. Das warst nicht du. Es war der kranke Geist Gon-Os, der es getan hat."
Sie mussten der Wesenheit dankbar sein, dass sie vielen Betroffenen Teile der Erinnerung an die Zeit ihrer Anhängerschaft nahm. „Die Bordärzte unter Prak-Noys Leitung werden dein Bewusstsein untersuchen, wenn du damit einverstanden bist", fuhr Daellian fort. „Zuvor allerdings sollten wir so schnell wie möglich deine Rehabilitation in die Wege leiten."
Wie das klang. Dennoch zeigte sich auf dem Gesicht der Frau so etwas wie ein Hoffnungsschimmer. „Ein Gerichtsverfahren?"
„Ja. Ranjif wird ein Bordgericht einberufen. Das ist nötig, damit du bei- der Rückkehr nach Terra keine Schwierigkeiten bekommst. Ein terranisches Gericht wird sich die Akte über die Verhandlung ansehen und das Urteil dann bestätigen."
So war es in den meisten Fällen seit der Einigung der Erde und der Gründung des Solaren Imperiums gewesen.
Gerichte hatten aber auch etliche Fehlurteile korrigiert, die fernab der Zivilisation gefällt worden waren. „Ich kann es noch immer nicht fassen", murmelte Bre. Plötzlich schlug sie sich an den Kopf. „Ich sitze hier und denke nur an mich. Wie geht es Gaur?"
„Dein Sohn war wohlauf, als wir Terra verließen. Bestimmt hat sich nichts daran geändert."
„Er wird es nicht leicht haben als Sohn einer Mörderin."
„Wer weiß das schon außer den Mitarbeitern in der Solaren Residenz und den Anhängern Carlosch Imberlocks."
„Imberlock - Imberlock. Den Namen muss ich irgendwo schon einmal gehört haben."
„Er hat diese Untergangssekte gegründet. Das Tragische daran war, dass man ihn nie für eines der begangenen Verbrechen zur Verantwortung ziehen konnte. Er kam nicht als Auftraggeber in Frage, und er hat auch keine Brandreden gegen die menschliche Zivilisation gehalten. Jetzt, da Gon-Orbhan Terra erreicht haben dürfte, spielt er vermutlich eine bedeutende Rolle."
„Ein Untergangsprediger. Ich muss seinen Namen aus der Zeit kennen, als ich noch nicht zu den Jüngern zählte." Sie wischte sich die feuchten Augen, leckte die salzigen Lippen ab. „Es ist gut, wenn du diese innere Distanz behalten kannst", sagte Malcolm. „Gut
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