229 - Flashback
Sohn Aiko getötet.
Aber das alles lag bereits fast zwei Jahre zurück!
Bulbaar wusste zu berichten, dass sich der gewaltige Felsbrocken im Zentrum des Kraters vor wenigen Tagen aus dem Boden gelöst hatte und davongeflogen war, und mit ihm alle Daa’muren! Seitdem hatte er keinen einzigen mehr gesehen.
Hing sein Erwachen aus der Inaktivität vielleicht mit dem Aufbruch des Wandlers zusammen? War von der außerirdischen Lebensform eine Art EMP ausgegangen, der zwar seine Platinen nicht zerschmolzen, aber jeden Stromfluss unterbrochen hatte? Doch wohin war der Wandler verschwunden, und was war mit den Daa’muren? Und nicht zuletzt – mit der Allianz?
Miki Takeo wollte sich keinen haltlosen Spekulationen hingeben. Erst einmal musste er sich selbst wiederherstellen, bevor er daran gehen konnte, Nachforschungen anzustellen.
Es war notwendig, einen Schritt nach dem anderen zu tun – im wahrsten Sinne des Wortes: Als Nächstes musste er seine Beine wieder finden. Als er Bulbaar diesen Wunsch unterbreitete, bot der Trapper sich an, danach zu suchen.
Es dauerte lange Monate, in denen der Narod’kratow ein von Takeo erstelltes Suchraster regelrecht durchwühlte, denn inzwischen hatte sich die Flora längst über alles gebreitet, was damals bei dem Gleiterabsturz zu Boden geprasselt war.
Doch dann wurde er endlich fündig.
Bulbaar wirkte trotzdem alles andere als fröhlich, als er die Plysterox-Teile zu seiner Hütte schleppte. Sie waren nicht nur völlig verdreckt, sondern offenbar auch von Raubtieren als Kauknochen zweckentfremdet worden. Jedenfalls trug das Material eindeutige Spuren von großen Reißzähnen. Wenigstes war es rostfrei, und Takeo konnte den Gnom beruhigen, dass er die Schäden würde beheben können.
Bulbaar bereute jetzt nicht mehr, dass er diese seltsame Puppe damals aufgenommen hatte. Ja, es kam ihm sogar lächerlich vor, dass er an Zauberei und Teufelswerk gedacht hatte, als der Metallmann ihm auf seinen Händen gefolgt war. Inzwischen war Takeo zu einem willkommenen Gefährten und Gesprächspartner geworden – der nicht einmal Nahrung brauchte.
Doch Miki Takeo wusste, dass nun bald die Stunde des Abschieds anbrechen würde. Sobald seine unteren Gliedmaßen wieder an Ort und Stelle saßen – und die Arbeiten würden sicher nicht mehr als eine Woche in Anspruch nehmen – musste er nach Meeraka zurückkehren. Genauer: nach Amarillo. Vor allem anderen wollte er sich Gewissheit verschaffen, was aus seiner alten Heimat und den Cyborgs dort geworden war.
Mit Schaudern malte der emotionale Rest in seinem Hirnspeicher sich aus, wie ein halb organisch, halb mechanischer Körper auf den EMP reagiert hatte. Zweifellos hatte es für alle den unmittelbaren Tod bedeutet, bei denen lebensnotwendige Teile wie Herz, Lungen oder Gehirn ersetzt worden waren. Handelte es sich dagegen nur um künstliche Extremitäten, wäre ein Überleben möglich gewesen.
Die Kabelschäden und die von Raubtierzähnen zerstörte Elektronik seiner Beine konnten glücklicherweise innerhalb von zwei Tagen durch ein Notfall-Set mit Nanobots repariert werden, die er für solche Zwecke in einem Fach in seinem Rumpf mit sich trug. Die Montage an seinen Rumpf war da schon komplizierter, auch weil er sie selbst durchführen und wegen des ungünstigen Winkels mit einem halb blinden Spiegel aus Bulbaars Hütte hantieren musste.
Weitere zwei Tagen darauf stand es fest: Morgen früh würde er die Gegend um den Kratersee verlassen. Bulbaar versicherte wortreich, wie leid es ihm täte, den Eisernen ziehen zu lassen. Ob er denn nicht noch ein paar Monde bleiben könne? Jetzt, wo er wiederhergestellt war, könnte man doch gemeinsam jagen.
Doch Miki Takeo war nicht aufzuhalten. Zu viel Zeit war seit seinem Erwachen schon unnütz verstrichen. Außerdem konnte die Reparatur und Montage nur Flickwerk sein; in Amarillo würde er sich mit neuen Ersatzteilen eindecken. Und nicht zuletzt hoffte er darauf, dort präzise Antworten zu finden, was in den dreiundzwanzig Monaten, die er inaktiv verbracht hatte, in der Welt passiert war. Mit den Daa’muren. Mit der Allianz. Mit Commander Drax. Mit Naoki. Und auch mit General Crow.
Er musste es wissen. Es gab in den vergangenen fünfhundert Jahren keinen Tag, keine Sekunde, an die er sich nicht hätte erinnern können. Dass ihm jetzt über ein Jahr fehlte, erschütterte ihn mehr, als er sich selbst gegenüber eingestehen wollte.
Es war eine weite Reise, die ihm bevorstand: nach Nordosten, durch das
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