229 - Flashback
immerhin so stark, dass sie anfing zu würgen. Ihr wurde schwindlig.
»Mein Vater gab mir den Befehl, Sie am Leben zu lassen, sonst hätte ich Sie wegen Ihrer subversiven Worte schon umgebracht!«
Die Hand ließ los. Cross’ Hand massierte keuchend ihren Hals. Sie hustete und schnappte nach Luft.
»Mein Auftrag ist es, Ihre Antwort meinem Vater zu übermitteln«, sagte die falsche Lynne, so freundlich, als wäre nichts passiert. »Sie werden also um eine verbindliche Aussage nicht herumkommen, Miss Cross.«
»Das ist… Erpressung«, keuchte die Präsidentin.
»Falls es Ihnen bei der Entscheidung hilft«, fuhr Lynne Crow ungerührt fort, »bin ich befugt, Ihnen im Falle der Zusammenarbeit eine Generalamnestie zuzusagen. Dass Sie mit den feindlichen Parteien in Waashton kollaboriert haben, wird Ihnen und Ihrem Stab nicht angelastet; mein Vater ist sich durchaus bewusst, dass dies ein Zugeständnis an die Situation darstellte. Auch Ihre weitere Verwendung in einem hohen Amt des Weltrats wird gesichert sein.«
Alexandra Cross schwirrte der Kopf. Was sollte sie nur tun? Wenn Arthur Crow tatsächlich kurz vor dem Einmarsch stand, war es da nicht besser, auf die Seite der Sieger zu wechseln?
Und wer würde daran zweifeln, dass eine Roboterarmee die Stadt überrennen musste, Android hin oder her? Und hatte Mr. Black nicht seine Chance gehabt – und nicht genutzt?
»Was also soll ich meinem Vater ausrichten?«, fragte das Wesen mit Lynne Crows Gesicht. »Kann er beim Kampf gegen diesen Terroristen Mr. Black auf Sie zählen oder nicht…?«
***
> Datentransfer abgeschlossen.
> Datei gesichert und isoliert.
Miki Takeo war zufrieden.
Nun ja, so zufrieden man eben sein konnte, wenn man gerade erfahren hatte, dass sein ärgster Feind eine Armee von Robotern mit seinen Erinnerungen und Erfahrungen ausstattete, um so mit Hunderten Kopien seiner selbst Krieg zu führen.
Er hatte es zuerst selbst nicht glauben wollen: General Arthur Crow hatte tatsächlich eine eigene Gedächtniskopie benutzt, um seine Truppen damit auszurüsten! Zumindest der U-Man, mit dem Takeo noch immer verbunden war, trug diese Daten in sich; er bezweifelte jedoch, dass das »gemeine Fußvolk« einen ähnlichen Wissensstand erhielt. Die Einspeisung, das wusste er aus eigenen Versuchen, war kompliziert und die Fehlerquote hoch; die ersten mit einem fremden Gedächtnis ausgestatteten Modelle waren verrückt geworden oder hatten sogar Selbstmord begangen!
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Der Grund für Crows Handeln lag auf der Hand: In seinem Größenwahn war alles, was unter seinem eigenen Level lag, minderwertig. Er handelte nach dem Motto: »Wenn du willst, dass etwas richtig gemacht wird, mach es selbst!«
Aber natürlich hatte er nicht seine privaten Gedanken und Geheimnisse in der Gedächtniskopie belassen. Für die »Warlynnes«, wie er diese Baureihe nannte, waren nur die Grundzüge menschlichen Verhaltens, Planung, Strategiedenken, Listenreichtum und der Wille zum Sieg wichtig. Alles andere war gelöscht worden.
Innerlich musste Miki Takeo grinsen. Wer mehr von Computern verstand, der wusste, dass »gelöscht« noch lange nicht »gelöscht« bedeutete. Selbst nach einer Formatierung des Datenträgers ließen sich bis zu einem bestimmten Grad noch Daten rekonstruieren.
Das war auch der Grund dafür, dass er immer noch mit dem U-Man verbunden war. Das Backup konnte diese Daten nicht liefern; dafür musste er auf den Originalträger zugreifen, auf die Hardware.
Unter den wiederhergestellten Daten war eine Sequenz gewesen, die ihn schockiert hatte – und ihm gleichzeitig einen Teil der fehlenden Informationen lieferte. Er wusste nun, wer hinter den Anschlägen in Amarillo steckte und wer ihn… getötet hatte.
Was das Rätsel nicht geringer machte. Denn nach allen Analysen war Miki Takeo zu dem Schluss gekommen, tatsächlich »tot« gewesen zu sein. Die Beschädigungen hätte sein internes Reparaturprogramm niemals bewältigen können; ja, es hätte nicht einmal von selbst starten können!
Er wusste nun dank Crows wiederhergestellter Erinnerungsfetzen, was unmittelbar nach seinem Tod geschehen war. Nicht aber, warum seine Erinnerung erst am 29. September 2524 wieder einsetzte, mit dem Empfang des Signals, das ihn nach Waashton gelockt hatte.
Ein Signal, das unverkennbar von aktiven U-Men ausging und auf das seine Sensoren geeicht waren. Nach dem Wegfall der CF-Strahlung hatte es bis nach Amarillo dringen können und ihn veranlasst, dem nachzugehen.
Zur
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