2292 - Dreimal ewiges Leben
das Schlimmste war in der Nacht geschehen, in einem furchtbarem Traum, einem Traum, der ihm in grellen Farben vor Augen geführt hatte, was in der Sonne geschah, in der TRIPTYCHON-Station, zu der sie vor geraumer Zeit das Forschungsschiff INTRALUX entsandt hatten. Eine Spiralgalaxis war aufgeblüht wie ein leuchtende Kristall, hinter dem das Gleißen der Sonne zu einem matten Glosen verkommen war. Sie war unendlich groß gewesen und doch winzig klein, so klein, dass sie auf ein Stück Haut passte.
Homer sah den Körper dieser Haut und verkrampfte sich. Es war Myles Kantors Körper. Er schauderte, meinte mit jeder Faser den Schmerz des alten Freundes zu spüren.
Alter Freund! Homer kratzte ein Lachen in der Kehle. Myles war einer der jüngsten Zellaktivatorträger gewesen, der Benjamin der Unsterblichenriege gewissermaßen, Adams hingegen eine Art Methusalem, was die Terraner anging.
Myles hatte um der Forschung willen Wissenschaft betrieben, Homer stets die ökonomische Perspektive angemahnt. Sie waren so weit voneinander fort gewesen, in so vieler Hinsicht, und doch hatten sie über Jahrzehnte und Jahrhunderte eine Vertrautheit aufgebaut, die sie zu Brüdern hatte werden lassen.
Und nun ... nun war er fort.
Ob ES ihn aufgenommen hat?, dachte Homer wehmütig. Er war sich nicht einmal sicher, ob er es Kantor wünschen sollte, zum Teil des enormen Bewusstseinspools zu werden, den die Superintelligenz angesammelt hatte. Der Gedanke war für das Finanzgenie der LFT sowohl beruhigend als auch verstörend. Eine neue Existenzform ... dafür aber nie mehr autark in seinen Entscheidungen.
Adams erinnerte sich daran, wie er im Gleißen der Spiralgalaxis aufgewacht war. Wie der Schweiß ihm aus den Poren geflossen war, wie eine ungeheure Hitze ihm unmenschlichen Schmerz durch die Adern gejagt hatte und wie die Spiralgalaxis sich zu gigantischer Größe aufblähte, bis sie schließlich die gesamte Milchstraße zu umfassen schien - und dann verpuffte.
Ein Zellaktivatorträger ist gestorben. Myles Kantor ist tot!
Zunächst hatte er noch versucht, sich einzureden, dass alles nur ein Alptraum gewesen sei, hervorgerufen durch die bedrückende Präsenz Gon-Orbhons auf Terra. Doch seine Zweifel waren verflogen, als Mondra berichtete, dass sie es ebenfalls geträumt hatte.
Noch konnte niemand sagen, unter welchen Umständen und aus welchem Grund Myles gestorben war. Sie wussten nur, wo es vermutlich geschehen war: in der Sonnenstation.
Möglicherweise war Myles' Tod nicht vergebens gewesen. Es blieb die Hoffnung, dass es dem Wissenschaftler gelungen war, Gon-O durch seinen Tod Schaden zuzufügen.
Sie mussten sich vergewissern. Wenn Myles einen Erfolg erzielt hatte, würden sie es am Vulkan sehen. Aber dazu mussten sie zum Stock-Relais reisen.
Für Homer war das Grund genug gewesen, ihre gescheiterte Mission in Rom sofort abzubrechen. Sie hatten Norman aus dem Zoo geholt, in dem sie ihn vorübergehend deponiert hatten, und nach Neapel mitgenommen. Immerhin war er ein „Sektenspürer" und nahm wahr, wenn sich jemand unter Gon-Os Einfluss befand. Eine unschätzbare Hilfe.
Als Homer wieder aufblickte, sah er nicht seine Freunde unter dem Olivenbaum. Er sah das gewaltige Massiv hinter Mondra und Norman, mit dem gewaltigen Splitter, der vor eineinhalb Monaten, am 13. März, dort niedergegangen war. Er hatte sich exakt in das Loch abgesenkt, das zuvor im Vesuv ausgehoben worden war.
Es war eigentlich ein Hyperkristall, bis 110 Meter breit und 223 Meter lang, ein „Geschenk" Gon-Orbhons an die Menschheit. Ein Trojanisches Pferd gewissermaßen, das die selbst ernannte Gottheit zur Ausübung ihrer Herrschaft über das Solsystem geschickt hatte.
Bisher konnte er keine Veränderung wahrnehmen. Aber der Tod seines Freundes musste einen Sinn gehabt haben. Schrecklich, wenn er keinen hätte. Einer wie Myles konnte doch nicht einfach verlöschen, und das war's! Sicher wirkte er sich noch auf dieses Gebilde aus.
Aber was, wenn sich durch seinen Tod gar nichts änderte?
Dann blieb nur noch die Hoffnung auf ihren eigenen Plan: die Sonden Krakatoa III und IV, die sich langsam, zentimeterweise, durch die Gesteinsschichten fraßen. Sie würden frühestens in sechsundzwanzig Tagen am Einsatzort angelangt sein, um den 27. Mai, sofern es ihnen gelungen war, sich unter der Erdkruste ins Zielgebiet Vesuv vorzuarbeiten.
Homer hatte den Funk-Impulsgeber in seiner Tasche. Er wartete nur auf die entsprechende Nachricht, um den Sprengsatz zu
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