2299 - Ahandaba
würde. Doch sie war nicht gestorben. War alles nicht nur eine bloße Verkettung von Zufällen, die mehr oder weniger unglaublich anmuten mochten? Konnte man das Bestimmung nennen, oder war es nicht lediglich ... Zufall? Sie wusste nicht, wozu sie tendierte.
Aber warum hatte sie darauf bestanden, allein zum Dom zu gehen? Warum hatte sie Atlan verwehrt, sie zu begleiten?
Weil das ihre Angelegenheit war - und nicht seine?
Ihre Welt - und nicht seine?
Weil er niemals wirklich dazugehören würde? Weil sie das wusste, obwohl sie es nicht zur Kenntnis nehmen wollte?
Was wird aus uns werden?, dachte sie. „Geh", erklang erneut die Stimme, und so seltsam es war, dieses eine neutrale Wort gab ihr die Kraft, die sie brauchte, um vor ihr Volk zu treten.
Vor das Volk der Motana.
Sie schritt aus dem Dom auf den Hof, hinaus ins letzte Licht des Tages, das sie umschmeichelte und stärker wärmte, als es eigentlich möglich sein sollte. Die Masse der Motana, die sie gerade eben noch hatte unterscheiden, als Individuen ausmachen können, verschmolz zu einer diffusen Flut, die sie bei jedem falschen Wort hinwegspülen konnte.
Geistesabwesend registrierte sie, dass es plötzlich ganz still war. Hunderttausend Motana summten, murmelten und grollten nicht mehr.
Sie hatte die SCHWERT kommandiert und in eine grausame Schlacht geführt... und überlebt.
Gemeinsam mit Atlan. Doch das war ihr nicht so schwer gefallen wie die Aufgabe, nun vor die Motana zu treten.
Nein, dachte sie. Ich darf keine Angst vor der Zukunft haben. Weder vor der meinen noch vor der ihren. Wegen ihnen habe ich gekämpft. Sie sind keine graue, gesichtslose Masse. Sie sind die Kinder von morgen, ihnen gehört die Zukunft, auch wenn der Weg, der vor uns liegt, so schwer ist wie kaum ein anderer, den je ein Humanoider begangen hat... „Ich bin Zephyda, die Stellare Majestät", sagte sie, und der kleine Chip, den man ihr über der Brust an ihre Montur geheftet hatte, übertrug ihre Worte nicht nur über den gesamten Domhof, sondern bis zu den buckelförmigen Gebäuden in einiger Entfernung. „Ich verkünde euch den Sieg über die Unterdrückung. Die Motana werden wieder singen. Wir haben die Kybb und ihren Gott Gon-O besiegt."
Die Stille endete abrupt. Hunderttausend Motana schrieen und jubelten, und einige begannen sogar zu singen, verstummten aber, als Zephyda fortfuhr. „Aber das ist nicht alles. Das Regnum der Schutzherren endete mit der Blutnacht von Barinx.
Und doch gibt es Schutzherren, die die Blutnacht überlebt haben."
Sie legte eine Pause ein. Wie viele der Motana vor ihr wussten, was sie nun sagen würde?
Wie viele ahnten es? Und wie viele hatten keine Ahnung, was sie nun erwartete? „Einer dieser Schutzherren ist nun bei uns. Sein Name lautet Gon-Orbhon."
Ein Stöhnen lief durch die Menge. Bevor es sich zu einem grollenden Protest steigern konnte, fuhr sie fort: „Sein Name ist verflucht. Und doch wird er sich auf unsere Seite stellen!" Gon-Orbhon. Eigentlicher Verursacher des Schreckens, den die Motana hatten erdulden müssen. Auch wenn Tagg Kharzani den Befehl erteilt hatte, Schwangeren die Embryos aus dem Mutterleib zu reißen und die Motana zu verfolgen, bis sie ihre Fähigkeit des Gesangs vergessen und ein Leben als Primitive geführt hatten - ohne Gon-Orbhon wäre das alles nicht geschehen.
Gon-Orbhon und Tagg Kharzani. Millionenfaches Leid, millionenfaches Grauen. Gon-Orbhon. Kybb-Titanen, Strafexpeditionen, Hinrichtungen, Unterdrückung, Auslöschung der Identität, Vernichtung der Vergangenheit und Erinnerung. Gon-Orbhon. Furcht. Entsetzen. Hass. Tod. „Mehr noch", sagte sie. „Gon-Orbhon ist hier. Er wird nun zu euch sprechen ..."
Das Geschöpf der Kosmokraten glitt aus dem Schatten des Doms und trat neben die Stellare Majestät. Erneut erstarb jedes Geräusch. Zephyda hatte den Eindruck, dass die Versammlung der Motana von kollektivem Entsetzen erfasst wurde.
Das war der entscheidende Augenblick. Was wussten die Motana noch über ihn, was verbanden sie mit seinem Namen? Konnten sie Gerüchte und Legenden von der Wahrheit unterscheiden?
Wie hätte sie reagiert, wenn sie nicht bei Atlan gewesen wäre, von dem Arkoniden - und von dem Gott selbst - nicht die Wahrheit erfahren hätte?
Gon-Orbhon war ein Kunstgeschöpf. Er war von Anfang an zu dem Zweck geschaffen worden, einem großen Ganzen zu dienen. Das war seine einzige Bestimmung. Er konnte nur leben, indem er diente. Und die Einzigen, die ihm vergeben konnten, waren
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