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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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das Freie gelangten. Am Landeplatze angekommen, banden wir das Boot fest. Kara nahm die Fackeln, ich die Maßleine, und dann traten wir den Heimweg an.
    „Effendi, glaubst du, daß ich froh bin, wieder festen Boden unter den Füßen und den Himmel über mir zu haben?“ fragte er. „Dieses fürchterliche, tief verschwiegene Wasser! Diese lügnerischen Säulen! Und dieser unermeßliche Druck von oben, den sie zu halten vorgaben und doch unmöglich halten können! Ich habe fast gezittert, und es ist mir, als ob ich einem beinahe unvermeidlichen und gräßlich heimtückischen Tode entronnen sei!“
    Er hatte ganz meine eigenen Gefühle ausgesprochen. Bei mir kam ja noch dazu, daß ich schwer krank gewesen war und für solche Eindrücke also empfänglicher sein mußte als er. Es war eigentlich höchst unvorsichtig von mir gewesen, diese Untersuchung des Erdinnern schon jetzt vorzunehmen; aber die Zeit und die Ereignisse drängten, und glücklicherweise hatte ich mich weder erkältet, noch fühlte ich mich sonstwie körperlich geschädigt. Es hatte ganz im Gegenteil den Anschein, als ob durch dieses Unternehmen die Energie sowohl des Leibes wie auch der Seele gehoben worden sei. Ich fühlte mich eher gekräftigt als ermüdet oder gar abgespannt.
    Schakara freute sich, als wir kamen. Sie sagte, daß sie bereits begonnen habe, um uns besorgt zu werden. Als Kara mich fragte, ob er ihr alles erzählen dürfe, sagte ich, daß dies ganz selbstverständlich sei, forderte ihn aber auf, gegen jedermann sonst zu schweigen. Dann ging ich hinauf zu mir, brannte die Lampe an und setzte mich an den Tisch, um die Zeichnung der beiden Bassins jetzt sofort anzufertigen. Die Eindrücke waren jetzt so frisch, daß ich fast jede Einzelheit in größter Deutlichkeit vor mir sah, und als ich fertig war, konnte ich überzeugt sein, mich um keinen einzigen Meter geirrt zu haben. Es galt nur noch morgen am Tag diese Grundebene mit der Neigung des äußern Terrains in Einklang zu bringen.
    Ganz von selber versteht es sich, daß die unverlöschlich tiefen Bilder, welche ich mit nach Hause gebracht hatte, mich noch auf das Lebhafteste beschäftigten, als ich mich hierauf zur Ruhe legte. Der Schlaf wollte nicht kommen, und als er sich endlich doch einstellte, nahm er sie mit in jenes seelische Gebiet hinein, welches für uns noch im Geheimen liegt und mit dem Verlegenheitsnamen Traumwelt bezeichnet wird.
    Ich träumte, und zwar mit einer Lebhaftigkeit und Deutlichkeit, als ob ich nicht schlafe, sondern wache. Und ich träumte sonderbarerweise, daß ich nicht ich, sondern der Ustad sei. Ich war völlig identisch mit ihm und kannte jede verflossene Minute seines Lebens und jedes Wort, welches er geschrieben hatte. Und das verwischte sich nicht; das blieb auch nach dem Traum. Sein Inhalt war folgender:
    Ich kam als Ustad in das Land der Dschamikun und sah die Bauten hier am Berg liegen. Ich nahm ihr Äußeres in Augenschein, und was ich dabei sah, das ließ den Wunsch in mir erwachen, auch mit dem Innern genau bekannt zu werden. Ich fragte jemand, wo der Eingang sei. Da sah er mich mit kalten Augen an und sprach: „Ich bin kein Dschamiki. Ich bin der Geist, der jeden Nahenden vor der Versuchung warnt, den kühnen Schritt in diesen Bau zu lenken. Wer ihn betritt, der hat für alle Ewigkeit auf sich, auf Leib und Geist und Seele zu verzichten. Wer das nicht tut, verläßt ihn niemals wieder, nicht lebend und nicht tot. Die Schatten dulden nicht, daß sie verraten werden.“
    „Die Schatten?“ lachte ich. „Wo ist der wesenlose, impotente Sill, der eine wirkliche Persönlichkeit wohl fürchten machen könnte!“
    „Frag anders! Frage so: Wo ist die mächtige Persönlichkeit, die jeden, der ihr dunkles Reich betritt, zum Schatten macht, verzaubert oder tötet? Sie wohnt und herrscht in diesem Riesenbau. Willst du hinein, so halte ich dich nicht; ich habe nur zu warnen, nicht zu zwingen. Unzählige schon hörten nicht auf mich. Die Starken sah ich niemals wiederkehren; die Andern aber waren ihm, dem Zauberer, in andrer Art verfallen. Sie kamen zwar zurück, doch nur als seine Schatten, die geist- und körperlos an mir vorüberschlichen, um vampirgleich der Menschen Blut zu fangen.“
    „Und fand sich keiner, der ihm widerstand?“
    „Nicht einer!“
    „Das schreckt mich nicht. Was Zauber heißt, ist Lüge. Nur wer die Lüge glaubt, ist ihr verfallen. Ich tue so, wie alle, die nicht hörten: Ich will hinein, ja nun erst recht hinein! Gib mir den

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