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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Mächtigen zu sehen, von dem du sagst, daß jedermann dem Tod oder ihm verfallen sei! Ich glaube nicht an seine Macht und auch nicht an den Tod!“
    „Du glaubst nicht an den Tod?“ fragte er, indem er mich ganz eigen ansah. „Kannst du beten?“
    „Ja.“
    „Richtig?“
    „Ich hoffe es.“
    „So geh hinein! Wenn du nicht anders willst! Du bist der erste, der einzige, bei dem ich es wage, einen Wink zu geben. Er heißt: Such dir den Rückweg selbst; laß ihn dir ja nicht zeigen!“
    Nach diesen Worten winkte er unter sich. Da öffnete sich die Erde, und ich sah die Stufen einer Treppe.
    „Ich danke dir! Mich siehst du nicht als Schatten wieder!“ sagte ich und stieg hinab.
    Da kam ich denn zunächst in jenen Urzeitbau, der auf dem festen Felsengrunde steht. Der Tag gab durch die Maueröffnungen ein falbes Dämmerlicht. Ich wanderte im Innern auf und ab, sah aber nichts; der Raum war völlig leer. Es schien, man habe ihn vollständig ausgeraubt, wie man zum Beispiel hier und da mit gottesdienstlichen und philosophischen Systemen tat. Da werden die Gedanken fortgeschleppt wie Möbelgegenstände, die man, gehörig ausgeklopft und wieder neu poliert, in eine neue Wohnung stellt und auch als neu bezeichnet! Das Ende dieses Baues gegen Süden war zugeschüttet worden. Ich wußte wohl warum: Das war der Ort des Sturzes in das Wasser.
    Auf Binnenstufen ging's hinauf zum zweiten Bau, der mich an Altiranisches, an Zarathustra mahnte. Auch er war leer, vollständig leer. Kein Mensch, kein anderes Wesen ließ sich sehen. Auch ausgeraubt und alles fortgeschafft! Man sollte doch Vergangenes heilig halten! Nicht es dem eignen Zweck dienstbar machen und dann die Zeit verdammen, die es schuf! Der Schluß nach Süden war vermauert worden.
    Nun ging es wieder stufenauf ins doppelte Geschoß mit den zersprungenen Tafeln. Da lag wohl hier und da ein alter Gegenstand, den man des Raubes nicht für wert gehalten hatte, auch gab es Spuren, die mich schließen ließen, daß Menschen hier zuweilen noch verkehrten, doch jetzt war ich allein. Wirklich? Ganz allein? Wurde ich nicht beobachtet? Der letzte Raum nach Süden war verschüttet, doch nicht bis an die Decke. Man konnte sich da oben wohl verstecken, und in dem losen Schutt sah ich die Spuren, daß man noch kürzlich hier hinaufgestiegen war. Das war zwar ungefährlich für Vertraute, doch nicht für Fremde, die vielleicht hier einen Ausgang suchten; denn jenseits ging der Sturz jäh ins Bassin hinab. Und als ich so von Weitem stand und nach der Decke schaute, schob sich ein Kopf da oben leise vor, um mich in scharfen Augenschein zu nehmen. Das Haar war weiß wie Schnee, der Blick spitz wie die Klinge eines Dolches. Ein Mensch, der solche Augen hat, weiß, was er will, und kennt die Schonung nicht. Er hat sogar den Mut, sich dicht am Abgrund lauschend zu verbergen, wenn es nur Hoffnung gibt, daß dann ein anderer stürzt. Ich tat natürlich so, als ob er von mir ungesehen sei, und ging zur nächsten Treppe, um nach dem obersten Geschoß, dem vielgestaltigen, emporzusteigen.
    Sie führte nicht direkt zu ihm empor. Sie mündete auf eine offene Tür, an welcher eine dunkle Schattenhaftigkeit sich tief vor mir verbeugte und mit gedämpfter, hohler Stimme sprach:
    „Wir kennen deinen Wunsch und haben dich erwartet. Du glaubtest gleich hinauf zum Oberbau zu kommen, mußt aber erst durch die Gewölbe hier, als deren Resultat er stein- und ziegelweis entstand. Hier sind die Schätze alle aufgespeichert, die sich der Mensch seit Anbeginn erdacht. Wir trugen sie zusammen, woher, wozu, warum, das wirst du dann erst hören, wenn dich die Gnade unsers Herrn erleuchtet. Er ist bereit, mit dir zu sprechen. Er ist sogar gewillt, dich seinem Dienst zu weihen. Damit du siehst, wie reich er lohnen kann, wie übervoll er spendet, soll ich dich vorher erst durch diese Räume führen. Doch hast du mir dein Won zu geben, nie zu verraten, was ich dir hier zeige. Von anderen fordere ich den heiligsten der Schwüre, doch von dir weiß ich, daß dein Wort genügt. Willst du es geben?“
    „Ja“, antwortete ich, obgleich ein Etwas in mir sagte: „Gib es ihm nicht, und berühre ihn nicht, sonst bist du ihm verfallen!“
    „So reiche mir die Rechte!“
    Ich tat es. Seine Hand fühlte sich so gegenstandslos weich, so leichenkühl, so gallertglatt und schlangenschlüpfrig an! Es war, als ob er durch diese meine Berührung nun erst Leben und Energie bekäme.
    „Komm, folge mir!“ forderte er mich in

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