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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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konnten. Sodann war diese Pekala für mich jetzt in ein ganz neues, in ein drittes Stadium getreten. Von der Krankheit geschwächt, hatte ich sie für ein herzliebes, wenn auch recht unbedeutendes Wesen gehalten. Dann war ein gewisses Mißtrauen gegen sie erwacht, von welchem ich auch dem Ustad gegenüber kein Geheimnis gemacht hatte. Jetzt aber wurde es ernst, sehr ernst! Ein Mensch, welcher Charakter und Inhalt besitzt, kann berechnet werden, eine Pekala aber nicht. Sie ist trotz aller ihrer Liebenswürdigkeit gefährlicher als mancher Bösewicht. Solche Menschen gleichen freundlichen Schmetterlingen, die um ihrer Raupen willen unschädlich gemacht werden müssen. Es tut einem leid, doch hat man sich zu wehren.
    Wer war dieser Aschyk, dessen Spionin sie in so unglaublich lächerlicher Weise geworden war? Jedenfalls ein Sill, ein Untergebener von Ahriman Mirza. Er kam monatlich einmal zu ihr, und stets sonntags. Am Montag aber war der ‚Tag des Soldes‘, also der Versammlungstag. Jedenfalls fragte er sie da nach allem aus, was hier bei den Dschamikun inzwischen geschehen war, und berichtete es dann weiter. So waren die Sillan stets vorzüglich unterrichtet. Das ganze Lebenswerk des Ustad hing also von der Schwatzhaftigkeit einer Person ab, die weiter nichts als eine Törin, eine Närrin war! Wer weiß, wieviel sie bisher schon geschadet hatte! Stand sie allein mit ihrem Verrat, oder besaß sie noch andere Vertraute? Ich war sehr geneigt, anzunehmen, daß wenigstens Tifl, ihr ‚Kind‘, auch mit beeinflußt worden sei. Konnte man es überhaupt für möglich halten, daß die geheimen Zusammenkünfte der ‚Schatten‘ hier in den Ruinen so ganz ohne Verrat und Unterstützung von Seiten der Dschamikun abgehalten wurden? Mir erschien dies beinahe undenkbar. Mochte das aber sein, wie es wollte, ich hatte mir schon gestern vorgenommen gehabt, nach den hiesigen Geheimnissen der Sillan zu forschen, und nach dem jetzigen Gespräch mit der Köchin verstand es sich ganz von selbst, daß bei ihr der Anfang zu machen sei, und zwar so bald wie möglich.
    Nun ging ich nach dem Hof. Dort stand Agha Sibil mit seinem Enkel jetzt bei den fertig geschirrten Kamelen. Ich erkannte den ersteren sogleich an dem fast beispiellos starken Schnurrbart, der so riesig war, wie ich noch keinen gesehen hatte. Man mochte auch mich ihm schon beschrieben haben, denn sobald er mich sah, kam er auf mich zu, nannte seinen und meinen Namen, stellte mir seinen Enkel vor und bat mich, bei ihnen im Baumschatten Platz zu nehmen, damit sie von mir ausführlicher erfahren könnten, was ihnen von andern nur andeutungsweise mitgeteilt worden sei. Es verstand sich ganz von selbst, daß ich diese Bitte mehr als gern erfüllte.
    Noch während ich erzählte, kam der Ustad mit dem Peder aus der Halle. Sie gesellten sich zu uns. Der erstere hatte gar nicht geschlafen und mich soeben wecken wollen, aber von dem letzteren erfahren, daß ich schon aufgestanden sei. Der Peder verhielt sich so zu mir, als ob gar nichts vorgefallen sei, was man ihm vorzuwerfen habe, und darum zeigte auch ich mich unbefangen. Der Ustad aber schien sehr ernst mit ihm gesprochen zu haben und vermied es sogar jetzt noch, seinem Blick zu begegnen. Der Kaufmann war ein hochehrwürdiger, braver Herr, der unendlich glücklich und dankbar war für das, was ich ihm erzählte. Er hätte mir noch gern stundenlang zugehört, mußte sich aber bescheiden, weil nun aufgebrochen werden mußte, weil es in der Absicht des Ustad lag die verwandten Kalhuran noch heut zu erreichen, um ihnen Nachricht über das zufriedenstellende Befinden ihres Scheiks zu bringen. Doch blieb uns Zeit, das Nötigste zu besprechen.
    Der Ustad übergab mir seine Wohnung mit dem sämtlichen Verschluß, und ich machte ihn noch einmal besonders auf den Brief aus Basra aufmerksam, den er in Isfahan an den ‚Henker‘ zu besorgen hatte. Als ich eine Bemerkung über die Gefahr aussprach, welche ihm seitens der entflohenen Soldaten drohen könne, teilte er mir mit, daß unten im Dorf eine Schar bewaffneter Dschamikun auf ihn warte, welche ihn begleiten würde, bis alle Gefahr vorüber sei. Hierauf wurden alle Bewohner des ‚hohen Hauses‘ herbeigerufen, damit er sich von ihnen verabschieden könne, grad als Kara Ben Halef von einer Tour heimkehrte, die er unternommen hatte, um sein Pferd wegen des Wettrennens geschmeidig zu erhalten. Er wendete sofort wieder um, weil er es für eine Ehrenpflicht hielt, den Ustad bis an die Grenze

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