23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
hat!“
„Dreierlei. Erstens, daß man Vertrauen haben will. Zweitens, daß man verschwiegen sein will. Drittens, daß man nicht ewig Köchin bleiben will! Leuchtet dir das ein, Effendi?“
„Sehr!“
„Das wußte ich. Du bist vernünftiger als tausend andere Männer, die kein edles Frauenherz verstehen. Darum habe ich gewußt, daß ich dir alles, alles mitteilen kann, was ich den meisten Menschen verschweige.“
„Also den meisten! Das ist sehr vorsichtig von dir! Nun sage mir vor allen Dingen, von wem hast du denn eigentlich das von dem ‚edlen Frauenherzen‘ erfahren?“
„Von meinem Aschyk. Ich habe gar nicht gewußt, daß ich auch so etwas Edles besitze; er aber hat es sofort erkannt und mir gesagt.“
„Und woher hat er von solchen Herzen erfahren?“
„Von einer Engländerin, die er mit ihrem Engländer in Buschehr getroffen hat. Die hat alle Tage einen neuen Papierfächer verlangt und dabei gesagt, sie habe ein edles Frauenherz und dürfe sich also ihre Gesichtsfarbe nicht verderben. Darum bringt mir mein Aschyk stets auch zwei oder drei Papierfächer mit, so oft er kommt.“
„Wo kauft er diese? Ist er ein Dschamiki?“
„Was du denkst, Effendi. Es ist noch keinem Dschamiki eingefallen, mein Herz edel zu nennen! O nein; mein Aschyk ist kein hiesiger und auch kein gewöhnlicher Mann, sondern ein vornehmer Schahsadeh (kaiserlicher Prinz) aus Isfahan.“
„Du Glückliche! Kennst du ihn schon lange?“
„Schon seit einigen Jahren.“
„Besucht er dich oft?“
„Fast immer, wenn vier Wochen vorüber sind.“
„Hat er da einen bestimmten Tag?“
„Ja, denn so ein hoher Schahsadeh ist immer pünktlich. Er kommt stets, wenn es Pazar günü (Sonntag) ist. Dann ziehe ich abends meine weißen Sachen aus und lege die schönen bunten an, die er mir immer schenkt. Hierauf gehe ich zu ihm hinüber in die Ruinen, wo ich mit ihm beim Mondenschein hin und her spaziere wie eine Tochter des Beherrschers. Ist es aber dunkel, so steigen wir in das Innere und brennen eine Fackel an.“
„Warum da drüben und nicht hier?“
„Weil er nur heimlich kommen darf. Edlen Herzen wird es nämlich ungeheuer schwer gemacht, sich öffentlich zu verbinden. Wir können erst dann miteinander in Isfahan einziehen, wenn der jetzige Schah gestorben ist. Ich habe darum geschworen, das tiefste Geheimnis zu bewahren. Aber weil es bei dir ebenso verschwiegen aufgehoben ist wie bei mir, so halte ich meinen Schwur ja doppelt, indem ich es dir erzähle.“
„Aber welchen Grund hast du wohl, es grad mir mitzuteilen?“
„Einen sehr großen, wichtigen Grund. Du bist doch, wenn unser Ustad abgereist ist, der Herr des hohen Hauses?“
„Ja.“
„Ich wußte es. Der Ustad hat uns gesagt, daß wir dir in allen Dingen sofort und willig zu gehorchen haben. Und weil du über alles zu befehlen hast, muß ich dich um etwas bitten, womit ich das Leben meines Aschyk retten kann. Ich bin also gezwungen gewesen, dir mein Geheimnis zu verraten. Wäre das nicht, so hätte ich mich nicht an dich getraut, obgleich ich fühle, daß du ebenso edel bist wie ich! Aber dort kommt der Peder. Verrate mich nicht, Effendi! Kein Mensch darf es wissen, kein einziger! Nur du und ich allein! Ich sage dir vielleicht schon heut noch mehr. Jetzt aber muß ich in die Küche!“
Sie machte mir einen so tiefen Knicks, wie bei ihrer Taille möglich war, und verschwand dann in ihrem Reich. Der Peder hatte allerdings im Begriff gestanden, nach der Küche zu kommen, sich aber schon wieder umgedreht, um nicht zu stören. Das war mir lieb. Es war nur diese Pekala, diese Köchin gewesen, mit der ich gesprochen hatte, aber ich muß gestehen, daß ich mich trotzdem nicht in der Stimmung befand, sofort mit einer andern Person über andere Dinge zu reden.
Was für Gedanken hatten mich bisher bewegt! Bis fast zu diesem Augenblick! Und nun hier plötzlich diese geistige Nichtigkeit, zehnfach, hundertfach nichtig grad durch ihre strahlend freundliche Gestalt! Diese Null war hohl; hierüber gab es keinen Zweifel. Aber hinter ihr stand eine ganze Finsternis bereit, sie mit dem Verderben für uns vollständig anzufüllen! Und es war so viel, so ganz unerwartet viel, was ich erfahren hatte! Ich zog mich unter die Bäume des Gartens zurück, um nachzudenken.
Zunächst hielt ich es für begründet, dem Ustad diese Neuigkeit einstweilen zu verschweigen. Ich durfte ihm seine Reise nicht durch Sorgen erschweren, die ihm sehr leicht den klaren Blick beeinträchtigen
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